Super Mario Odyssey

Seit Jahren kritisierten die Fans leise Ableger wie Super Mario 3D World oder Super Mario Bros aus dem simplen Grund, die Kreativität der Entwickler würde allmählich entschwinden. Immerhin ist das letzte Openworld-Mario einige Zeit her, denn seit dem Release von Galaxy 2 schien Nintendo die Openworld Idee verworfen zu haben. Jetzt wird das neue Mario-Spiel von Kritikern weltweit in den Himmel gelobt. Aber kann man wirklich sagen, Odyssey hätte diese hohen Bewertungen auch verdient?

Zuerst Folgendes: Ja, Openworld kann man jetzt sehen, wie man will. Grundsätzlich ist Super Mario Odyssey in 15 großartige Bereiche unterteilt. Jedes Land hat sein eigenes Setting, eigene Grafiken, eigenes Gameplay, eigene Atmosphäre, eigene Musik und einen eigenen Cliff. Es gibt keine Welt, welche einer anderen ähnlich sehen würde. Jeder Abschnitt wurde eigens mit viel Liebe zum Detail kreiert. Sobald du eine Welt betrittst, weißt du sofort, wo du dich befindest.

Hier ist allerdings schon das Problem: Kann man ein Spiel, welches in eigene Areale aufgeteilt ist, als Openworld bezeichnen? Nach langem Überlegen kam ich zum Entschluss, das zu Bejahen. Jede Welt ist groß genug um darin eine Ewigkeit zu verbringen, Tendenz deutlich steigend, will man alle Monde finden. Und man fühlt sich als Spieler nie wirklich eingeengt, das Gegenteil ist der Fall: Jedes Land wurde genauso designt, sich offen und interessant genug spielen zu lassen, um doch noch den Mond oder die Münze finden zu wollen.

Ebenfalls deutlich bemerkbar ist der enorme Unterschied zu anderen Mario-Spielen. Wo bisher noch der Jump´n´Run-Aspekt bei Spielen der Mario-Reihe im Vordergrund stand, wurde hier deutlich mehr Fokus auf die Erkundung gelegt. Und genau deswegen ist es auch so beliebt, sowohl unter Casual-, als auch Stamm-Spielern, die von Anfang an dabei waren. Für Veteranen gibt es frischen, innovativen Wind und für Einsteiger simple, aber auch gern mal aufregende oder fordernde Spielmechaniken.

Die Story beschränkt sich Mario-typisch auf ein Minimum, was das Gameplay aber nicht groß stört. Bowser will Peach zwangsweise heiraten und sucht dabei sämtliche Länder heim, um Utensilien für die Hochzeit zu sammeln. Ganz am Anfang des Spiels wird Marios traditioneller Hut durch Bowsers Luftschiff zerschreddert und wir bekommen mit Cappy adäquaten Ersatz. Dieser schließt sich uns an, da seine Schwester ebenfalls von Bowser entführt wurde.

Diese Hauptspielmechanik, also der neue Hut, welcher Mario durch sein Abenteuer begleitet, steht bereits ganz am Anfang des Spiels zur Verfügung. Jedoch ist er nicht nur ein sinnloses Accessoire, sondern ist tatsächlich hilfreich. Mit ihm ist es möglich, fast jede mögliche Form von Leben per Knopfdruck zu übernehmen – seien es bekannt-klassische Gegner oder auch mal ein Panzer oder ein Tyrannosaurus Rex. Jede Verwandlung hat ihren eigenen Zweck. Oft sind sie Welten-exklusiv, das heißt, ihr trefft in jeder Welt auf neue, unbekannt frische Verwandlungen, die auch meist den Stil der Welt übernehmen. Im Schlemmerland beispielsweise tragen die Hammerbrüder, welche seit Jahrzehnten ein unantastbares Design besaßen, eine Kochmütze und werfen mit Pfannen statt Hämmern.

Zwar ist die Steuerung vieler übernommener Gegner oft schwierig, aber das ist schlichtweg egal. Die wundervoll gestalteten Spielwelten, das Gamedesign und jeder einzelne gefundene Mond sind ein Fest. Ich habe bis dato über 540 Monde gesammelt und gefühlt hunderte Stunden in diesem Spiel verbracht und bin dennoch nicht gelangweilt. Das mag an meinem Ehrgeiz liegen, alle Monde zu sammeln oder aber am Spiel an sich, das immer wieder animiert, doch noch genau diesen einen Mond zu finden. Das gesamte Spiel fühlt sich einfach perfekt an. Du fühlst dich in Odessey zu Hause und jede Stelle dieses Spiels ist einfach perfekt auf den Spieler abgestimmt.

Play-Testing ist hier das Zauberwort. Spieler, die nicht direkt am Entwicklungsprozess beteiligt sind, spielen ein vorgefertigtes Areal. Die Entwickler sehen daraufhin, wie ein normaler Spieler diesen Levelabschnitt abschließt und passen das Level dahingehend an. Durch diesen Prozess verhindert man nicht nur Frustration bei Spielern, sondern fördert auch das Leveldesign enorm. So kann ein Assassins Creed noch so real sein wie möglich, aber ein Spiel ist nicht die Realität und sollte sich dementsprechend anders verhalten.

Man käme in der Realität niemals darauf, ein Regal umzustoßen, um zu sehen, was wohl dahinter versteckt ist. Aber in einem Videospiel kann man so etwas einwandfrei umsetzten und genau solche Gameplay Mechaniken werden von einem erfahrenen Spieler erwartet. Also lange Rede kurzer Sinn: Super Mario Odyssey spielt sich dank Play-Testing genauso an, wie es allseits erwartet wird – vermutlich ist es deshalb so bahnbrechend. Es wird wohl kaum Menschen geben, denen Mario keinen Spaß macht.

Nach dieser theoretischen Abhandlung wieder zurück zu Mario Odyssey und seiner Grandiosität. Eine weitere neu eingeführte Spielmechanik ist das Münzensammeln. Ja gut, Münzen im Allgemeinen wurden schon im allerersten Mario-Titel gesammelt, jedoch wurde hier der Verwendungszweck komplett überarbeitet. So kann man sich nun für gelbe, normale Münzen im sogenannten Crazy-Cap-Store allerlei Accessoires für Marios Abenteuer besorgen. Das reicht von einen exklusiven Extra Mond in jeder Filiale, bis zu wundervollen neuen Kostümen für unseren kleinen Klempner. Außerdem dienen diese dem Respawn, denn einen Game-Over-Bildschirm gibt es in Odessey nicht.

Ebenfalls neu sind die violetten Collectables, die entweder 50 oder 100-mal auf jeder Welt versteckt sind. Dabei nehmen sie charakteristisch in jeder Welt eine passende Form an, so z.B. Nachos mit invertierter Pyramide. Sie sind optional, aber können ebenfalls in jedem Shop in Sammelobjekte und Trophäen umgetauscht werden. Ein wundervolles Gameplay-Element für Leute, die das Spiel mit 100% abschließen wollen. Leider kann jede Welt aber zur Qual werden, wenn beispielsweise 3 von 100 Münzen unauffindbar bleiben.

Mein Lieblingsthema ist jedoch die Grafik. Ich bin eigentlich ein Mensch, für den Grafik nur ein Mittel zum Zweck ist. So wird mich ein Rayman Legends immer mehr begeistern als ein Assassins Creed oder ein Mario Kart immer mehr als ein Need for Speed. Aber heilige Erdnuss, Mario zeigt auf der Switch bisher ungeahnte Qualitäten. Das Spiel läuft mit glatten 720p im TV und Handheld Modus und kann auf beidem begeistern.

Das Modell von Mario ist komplett neu modelliert, er hat in Echtzeit reagierende Barthaare, als erstes Mario verschiedene Emotionen außerhalb von Cutscenes, eine Zunge und damit seinen eigenen, aber so neuen Stil.  Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit, denn die weiteren Neuerungen im Bereich Grafik sind Shader, Partikel, Echtzeitschatten, Idleanimationen, Wasser, Physik, Global Illumination und sein unglaublicher Comicstil. Die Texturen sind wahrlich ein Augenschmaus.

Das Gamedesign an sich ist ebenfalls neu. Statt wie in anderen Ablegern von 3D-Mario-Spielen wird man nach dem Fund eines Mondes nicht in eine Hub-Welt zurückgeleitet, sondern kann direkt im Level verbleiben. Das beschleunigt das Gameplay ungemein und lässt dem Spieler wesentlich mehr Freiheiten – eine Designentscheidung, welche man sich schon viel früher gewünscht hätte.

Zum Thema Freiheit ist jedoch noch nicht alles besprochen – sobald der Spieler zum ersten Mal eine Welt betritt, wird ihm durch eine Kamerafahrt primär eine Aufgabe angeboten. Der Spieler kann hierbei selbst entscheiden, ob er diesen Weg einschlägt oder erst jeden anderen Aspekt der Spielwelt betrachtet. Mario-typisch, wie zuletzt in Galaxy gesehen, sind nach dem zweiten Betreten einer Welt und Abschluss der Hauptaufgabe viele neue Monde verfügbar und die Spielwelt ist leicht vergrößert. So werden zahlreiche neue Interaktionen hinzugefügt, wie neue NPCs oder Röhren, die zu einer weiteren Herausforderung führen. Das steigert den Wiederspielwert enorm und addiert nochmals zusätzlichen Spielumfang hinzu.

Dieses Prinzip wiederholt sich nach Abschluss der Main-Story, nach der in jeder Welt ein Würfel aktiviert werden kann, um die Welt abermals zu erweitern. Jede der 15 Welten ist von der Größe sehr variabel, so kann die größte Welt gut und gerne mal zehnmal so viele Monde zu bieten haben wie die Kleinste. Zum Beenden der Hauptstory braucht ihr circa 15 Stunden und mehr, doch für 100% wird je nach persönlichem Spielvermögen ein Vielfaches dieser Zeit benötigt. Und wer meint, nach dem finalen Kampf und dem Abspann wäre das Game beendet, täuscht sich, denn jetzt geht es erst richtig los.

Fazit:

Mario Odyssey ist einer der selten gewordenen Titel, für den man sich um den Controller prügelt. Ja sicher, es hat wenige, eigentlich zu vernachlässigende Probleme wie den mickrigen 2-Spieler Modus oder die bekannte Bowser-entführt-Peach-Story, aber das ist schlichtweg egal! Bei der durchgängigen Perfektion von Odyssey spielt dies einfach keine Rolle.

Ob es an den vielen Boss-Fights, den lustigen und individuellen Charakteren, den wunderschönen Welten, dem aufregenden Gameplay, der grandiosen Atmosphäre oder einfach an Mario selbst liegt, kann jeder für sich entscheiden. Fakt ist, Odyssey ist das Meisterwerk, was wegweisend für alle zukünftigen Jump´n´Runs sein wird und welches die Standards des Genres auf ein neues Level hebt.

Das Spiel an sich hätte großartig werden können, stattdessen wurde es überwältigend. Ein Meilenstein und absolutes Must-Have für jeden Videospieler!

Beitrag: Oliver Schemenz

Copyright Bilder: Nintendo