Rayman Origins – mein Spiel des Jahres 2011

Was haben Rayman und die Raving Rabbids gemeinsam? Richtig, alle sind völlig durchgeknallt. Hält man sich jetzt die von der Weltherrschaft besessenen Hasen und deren bisher erschienene Spiele vor Augen, bekommt man in Ansätzen eine Vorstellung dessen, was einen bei Rayman Origins erwartet. Bei all den runden Geburtstagen in diesem Jahr – Sonic wird 20, Zelda sogar 25 – geht unter, dass auch Rayman inzwischen seit fast 15 Jahren über die Videospielbildschirme dieser Welt hüpft.

1995 erblickte der chaotische Held ohne Arme und Beine auf der Playstation 1 das Licht der Welt und wurde seitdem auf jede Konsolengeneration adaptiert. Nun endlich kommen Rayman und seine Kumpels auch auf den aktuellen Konsolen an und zünden ein dermaßen brilliantes Jump`n`Run-Feuerwerk, dass dieser Bericht dem Spiel eigentlich nicht wirklich gerecht werden kann.

In Zeiten des fulminanten 3D, in denen der Begriff Open-World eine der Zauberformeln für kommerziellen Erfolg sein muss, kehrt Entwickler und Rayman-Erfinder Michel Ancel zu den klassischen 2D-Wurzeln des Genres zurück. Wo andere Teams in Garnisionsstärke über Jahre hinweg einen Titel entwickeln, verfolgte er einen vollkommen anderen Ansatz. Denn das Entwicklerteam bestand aus maximal zehn Leuten, von denen viele der Künstler bis zu den Arbeiten an Rayman überhaupt keinen Bezug zu Videospielen hatten. Es arbeiteten Studioanimatoren neben traditionellen Malern und Illustratoren und so entstand mit Rayman Origins ein Spiel, das eine ganz seltene Mischung aus Kunst, Comic und Videospiel bietet.

Im Gegensatz  zu vielen anderen Jump`n`Runs (und auch anderen Titeln), macht man sich bei Rayman die Mühe, eine Geschichte zu erzählen und so den Spieler in die wunderbar chaotisch-schräge Comicwelt einzuführen. Diese Welt wird vom Traumbläser zusammen gehalten. Er ist ein höheres Wesen, dessen Träume allen Kreaturen Leben einhauchen. Aber wie alle anderen auch, träumt auch der Traumbläser mal schlecht und so geschieht es, dass das ausgiebige Schnarchen Raymans und seiner Freunde in der wohlverdienten Pause dem bösen Nachbarn im Keller gehörig auf die Nerven geht. Nun wird die Lichtung der Träume von albtraumhaften Kreaturen aus den Fantasien des Traumbläsers überrannt und immer mehr Electoons fallen diesen zum Opfer, um in Käfige gesteckt zu werden. Diese Electoons sind aber der Stoff, aus dem die Träume sind und ohne sie wird die Welt sich auflösen.

Damit das nicht passiert, macht sich Rayman entweder allein oder mit bis zu drei seiner Freunde auf den Weg, um die gefangenen Electoons und auch Elfen zu befreien. Rayman Origins folgt hier dem seit Jahren bewährten und ganz klassischen Ansatz des Jump`n`Run Genres: Renne und hüpfe von links nach rechts über den Bildschirm, erledige Feinde, weiche unzerstörbaren Dingen aus, springe auf bewegliche Plattformen, sammle Extras und befreie die Prinzessin/Elfe/Königin/was auch immer. Entscheidend ist hier aber nicht das “Was”, sondern das “Wie”, denn wie alle diese Dinge erledigt werden, macht Rayman für mich zum besten Jump`n`Run des Jahres 2011.

Das Spiel bietet elf verschiedene Welten mit jeweils einem eigenen Thema, wie dem Dschungel, einer Eiswelt, der Wüste oder auch unter Wasser. Jede dieser Welten ist in mehrere Level unterteilt, die sich wiederum aus mehreren Abschnitten zusammen setzen. Die Level bieten mal nur drei, aber dafür sehr lange Passagen, oder auch viele, aber dafür eher kurze Sequenzen. Was aber hierbei an grafischen Schmakerln und Witz aufgeboten wird, sprengt den Rahmen des bisher Dagewesenen. Gegner werden nämlich nicht einfach per Hüpfer auf den Kopf vom Bildschirmdasein erlöst, sie werden blasoniert! Getroffene Gegner blasen sich nämlich auf und gleiten sekundenlang dem oberen Bildschirmrand entgegen. Ein weiterer Treffer bringt weitere Punkte. Viele Pfützen oder Tümpel sind mit Piranhas gespickt, die sich über die Spielfigur hermachen, wenn sie denn hinein fällt und die teilweise bildschimfüllenden Endgegner bestehen größtenteils aus Warzen und einem mit Zähnen gespicktem Maul. Um diese Bosse zu ereichen, besteigt man gelegentlich auch eine debil aussehende Mücke und absolviert eine chaotisch-witzige Shooter-Einlage, wie das der ungekrönte Genre-König Parodius nicht hätte besser abliefern können.

Grafisch hebt nicht nur das Leveldesign das Genre auf ein neues Niveau, auch die unzähligen Animationen von Rayman, Globox oder den Kleinlingen, sowie die aller Gegner sind an Albernheit kaum zu überbieten. Bei einem Treffer quellen die Augen schon mal aus den Höhlen, Münder werden aufgerissen und klatscht Globox gegen ein Hinderniss, wird er nur noch von seinen Zähnen festgehalten, während Arme und Beine kraftlos am Körper hängen. Alleine diese Anmiationen sorgen immer wieder für Lachtränen.

Aber es nützt die beste Grafik nichts, wenn das Spiel nicht mithalten kann. Hier erfindet Rayman Origins das Genre zwar nicht neu, bietet aber alles auf,  was der Spieler zum perfekten Jump`n`Run benötigt: Das Spiel schafft es, das bekannte und erwünschte “einen Level spiele ich noch“- oder “die Stelle muss doch zu schaffen sein“-Gefühl, welches man sonst nur von Mario kennt, auf den Spieler zu übertragen. Denn es ist tatsächlich so, dass kein Abschnitt nicht zu schaffen und kein Endgegner nicht zu besiegen wäre, auch wenn der Schwierigkeitsgrad bei diesen zum Ende unverständlicherweise schlagartig anzieht. Aber auch hier heißt es: Übung macht den Meister und wer mit mehreren Spielern gleichzeitig auf Boss-Jagd geht, sollte irgendwann erfolgreich sein.

Damit Rayman und seine Freunde in den Leveln nicht chancenlos gegen die zahlreichen Gegner antreten müssen, werden sie von befreiten Elfen mit besonderen Fähligkeiten ausgestattet. Die erste Elfe Betilla sorgt für mehr Kraft, andere unterstützen Rayman mit der Fähigkeit, mit der Haartolle zu schweben oder zu tauchen. Ansonsten sammelt man im Spiel sogenannte Lums ein, die am Ende addiert werden und Electoons bringen, die wiederum benötigt werden, um versteckte Level freizuschalten. Damit auch hier ein Anreiz besteht, scheinbar unschaffbare Passagen doch anzugehen, bringen Münzen und Lumskönige wesentlich mehr Lums. Wer also Lums und damit Electoons sammelt, schaltet in jeder Welt die Schatzkisten-Herausforderung frei. Hier flüchtet eine rennende Schatzkiste vor dem Spieler, wird diese erlegt, gibt sie einen Schädelzahn frei, der am Ende den Zugang zum größten aller Albträume freischaltet.

Wie oben bereits erwähnt, muss man nicht alleine auf die Pirsch nach Lums, versteckten Kisten mit Electoons und Elfen gehen. Bis zu vier Spieler gleichzeitig auf dem Bildschirm verleihen Rayman Origins ähnlich New Super Mario Bros. Wii einen fast ebenso hektischen Spielablauf. Allerdings ist Hektik hier nicht gleich Chaos, denn im Gegensatz zum Nintendo-Vorbild läuft hier alles etwas gesitteter ab. Das Zusammenspiel bringt noch mehr Spaß und macht mehr Sinn, da man zwar auf seine Mitspieler einprügeln und ihnen beispielsweise eine Plattform unter den Füßen wegziehen kann, aber man sich mehr gegenseitige Hilfestellung gibt, um unerreichbar scheinende Passagen zu erreichen und Endgegner zu besiegen. Trotz des Mehrspieler-Modus sucht man einen Online-Modus aber vergeblich, was an dieser Stelle etwas schade ist, da sich online bestimmt Freunde finden lassen, die einem selbst über die eine oder andere Schwierigkeit hinweg helfen können. Aber auch hier gibt es wieder eine kleine Hommage an Nintendo: Wird dort der Super-Asisstent angeboten, um eine schwierige Stelle zu überspringen, taucht bei Rayman ein Electoon auf und bietet an, den Level auszulassen. Es fehlen dann zwar Lums und Electoons, aber man kann das Spiel mit dem nächsten Level fortsetzen.

Neben aller grafischen Finessen und der fast schon perfekten Spielbarkeit trägt ein wesentliches Element zum absoluten Wohlfühlfaktor bei: Der Sound! Selten habe ich so perfekt an das Spielgeschehen angepasste Hintergrundmusik gehört und ich denke noch nie waren Soundeffekte so hervorragend in Szene gesetzt, wie bei Rayman Origins. Alleine dafür lohnt es sich schon, das Spiel zu kaufen!

Fazit:

Seit ich Rayman Origins bei Ubisoft auf der Gamescom und auf dem Fantastic-Christmas-Event anspielen durfte, habe ich mich auf das Spiel gefreut. Und ich wurde nicht enttäuscht, denn all die kleinen Appetit-Happen waren nur die Vorspeise zu einem 7-Gänge-Gala-Menü. Was Michel Ancel und sein Team hier abliefern, gehört für mich zum besten Stück Software der letzten Jahre. Endlich hat wieder jemand den Mut, ein Jump`n`Run der alten Schule zu programmieren und dieser Mut sollte von keinem Spieler, der auch nur bruchstückhaft etwas mit dem Genre anfangen kann, unbelohnt bleiben. Grafik, Sound und Spielbarkeit gehen hier Hand in Hand und nehmen euch mit auf eine herrlich chaotische, voll schrägem Humor strotzende Kommödie. Für mich ist Rayman Origins ein Must Have!

Spiegel Online führte übrigens im Juni 2011 ein interessantes Interview >>> mit dem Entwickler Michel Ancel.