Hardwaretest: Valco ANC – finnisches Headset mit erstaunlichen Klangqualitäten

Manchmal spielt einem der Zufall in die Hände. Und so war es beim Valco. Beim Lesen der Website dachte ich bei mir, dass die Jungs aus Finnland entweder unfassbar selbstbewusst sind oder aber sich hoffnungslos selbst überschätzen? Wenn jemand schreibt, dass er für einen Preis von nur 149,- Euro den wahrscheinlich besten Kopfhörer der Welt entwickelt und vertreibt, dann kann es eigentlich nur diese beiden Möglichkeiten geben. Nach einigen Mails liegt der Valco nun hier für einen ausgiebigen Test.

Ich nehme aber ausnahmsweise das Fazit vorweg:
Der Valco ist einer der besten ANC-Kopfhörer, den ich je auf den Ohren hatte. Und ich schreibe bewusst „ich“, denn hören ist immer subjektiv. Was mir gefällt, ist nicht das Maß der Dinge und andere mögen vielleicht mehr Höhen oder noch kraftvolleren Bass. Aber genau das ist es, was den Valco ANC für mich so auszeichnet, denn ich habe selten ein – ohne zugeschaltetes ANC – so ausgeglichenes Klangbild erlebt. Die Höhen sind direkt, und dennoch schmerzen Gitarren-Riffs nicht in den Trommelfellen. Stimmen in den Mitten sind klar und Bässe sind herrlich dynamisch, aber nicht dominant. Gerade die Tieftöne werden bei einem schlechten Headset leider oft zu musikalischem Brei. Und diese ausgeglichene Abstimmung gilt für alle Genres von Klassik bis Metal.

Ein völlig anderes Bild ergibt sich, wenn das Active Noise Cancelling zugeschaltet ist. Man hat augenblicklich das Gefühl, einen vollständig anderen Kopfhörer zu tragen. Der Klang bekommt mehr Hall, die Bühne wird breiter und der Bass legt immens zu. Das alles ist einer Club-Atmosphäre oder einem Live-Auftritt in einem kleinen Saal nicht unähnlich, auch hier sind die Bässe meistens viel intensiver als beim Streaming oder von Vinyl. Und dennoch ist auch hier die Abstimmung wirklich einwandfrei gelungen.

Dabei ist der Valco beim Auspacken nur ein klassischer Kopfhörer, einzig die individuellen Walnuss-Echtholzschalen mit gefrästem Logo lassen mit ein wenig Fantasie den finnischen Ursprung erahnen. Geliefert wird das Headset zusammengeklappt in einer stabilen Kunstledertasche, USB- und Audiokabel sowie ein Flugzeugadapter liegen bei. Die englische Anleitung ist kurz und bündig gehalten, alle Funktionen werden in vier Schritten erklärt. Bis hierhin also nichts Aufregendes.

Der Kopfhörer selbst besteht aus mattschwarzem Kunststoff, macht aber dennoch auf Anhieb einen wertigen Eindruck. Alle Gelenke sind leichtgängig, da knarzt nichts. Zum Transport in der Tasche lassen sich die Ohrmuscheln einklappen. Die Größenverstellung ist aus Metall und rastet sauber ein. Selbst große Köpfe haben mit dem Headset keine Probleme. Der Kopfbügel und die geschlossenen Over-Ear-Ohrmuscheln bestehen aus Kunstleder mit Memory-Schaum. Diese sitzen zwar sehr weich und angenehm, umschließen das Ohr vollständig, aber bei momentanen Temperaturen von über 30 Grad wird es eben naturgemäß auch schnell warm darunter. Der Sitz ist also optimal, durch den gut gepolsterten Kopfbügel und das geringe Gewicht von gemessenen nur 240 Gramm sind auch lange Musik-Sessions kein Problem.

Gesteuert wird der Valco über die übliche und bewährte Knopfbelegung. Drei eng beieinanderliegende Taster in der rechten Ohrmuschel sorgen für das Ein/Ausschalten, die Lautstärke und den Titelsprung. In der linken Muschel lässt sich ANC hinzuschalten. Ist dieses aktiviert, wird über vier Mikrofone die Umgebung von störenden Geräuschen gefiltert. Niederfrequente Hintergrundgeräusche filtert der Valco wirklich gut. Ist man auf der Straße unterwegs, wird die Umwelt still, aber nicht stumm. Das ANC verrichtet hier einwandfreie Arbeit. Naturgemäß und technisch bedingt werden aber hochfrequente Geräusche nicht gut gefiltert. So kann man aber zumindest den Warnton des rückwärtsfahrenden LKW erkennen, ohne in seiner Musik versunken überfahren zu werden.

Wie aber kommen denn die Finnen nun darauf, dass der Valco der wahrscheinlich beste ANC Kopfhörer der Welt ist? Denn „dynamische Stereokomponenten“ – hier in der Größe von 40 Millimetern – und ein Qualcomm Chipsatz für das Noise-Cancelling bieten auch andere Hersteller. Die Erklärung dazu findet sich auf deren Website. Man führt aus, dass jeder drahtlose Kopfhörer ohnehin mit einem Qualcomm Chipsatz ausgeliefert wird. Letzten Endes kommt es damit nur auf die möglichst perfekte Abstimmung aller Komponenten an, um die bestmögliche Klangqualität zu bieten.

Verwendet wird im Valco ANC mit dem Qualcomm QCC3008 der wohl beste zurzeit erhältliche Chip. Die Abstimmung erfolgte dann über das finnische Mastering-Studio Kesthouse durch Jasse Kesti. Fertig war der Valco. Aber egal, welcher Chipsatz verwendet wird, wer die Abstimmung der Komponenten und des Klangbildes erledigt hat, unter dem Strich steht immer der Klang eines Kopfhörers. Und hier trumpft der Valco auf.

Das Schöne an einem Kopfhörer-Test ist, dass man sich wieder ausgiebig mit Musik und nicht mit der verbauten Technik und unzähligen Einstellungen am Gerät selbst beschäftigen kann. Die Einrichtung über Bluetooth 5.0 aptX LL ist innerhalb von Sekunden erledigt und man findet endlich wieder die Zeit, sich durch zahlreiche alte und neue Playlisten seiner Streaming-Anbieter zu klicken und zu hören. Und auf Tidal stieß ich schnell auf eine Band, die mir bis dato vollkommen unbekannt war, die mich aber augenblicklich fest im Griff hatte: Blackout Problems. Deren neuer Song Murderer scheint wie gemacht für den Valco. Intensive Bässe, kerniges Schlagzeug und Gitarren, bei denen man das Zupfen einer jeden Saite hört, sorgen augenblicklich für Gänsehautmomente.

In eine völlig andere Richtung geht Fiona Apple mit I want you to love me. Singer/Songwriter klingen in vielen Fällen entsetzlich ähnlich, viele Songs scheint man von einem anderen Künstler schon einmal gehört zu haben. Allein dieser Song unterscheidet sich schon durch das Intro, in dem Becken so klingen, als säße man direkt hinter dem Schlagzeug. Wenn dann das Klavier und die Stimme einsetzen weiß man, was der Valco zu leisten in der Lage ist. Der Stereoklang baut eine breite Bühne auf und man genießt die volle Intensität des Instruments. Auch hier fasziniert wieder die Klarheit der tiefen Töne.

Damit man seine Musik möglichst lange genießen kann, geben die Akkus eine Leistung von gut 40 Stunden her. Aufgeladen wird über USB, innerhalb von 2 Stunden war das Headset bei mir vollständig geladen und einsatzbereit. Ist der Akku zur Neige gegangen, lässt sich der Valco allerdings ohne ANC weiter über das Audiokabel betreiben. Dazu kommt eine überraschend gute Qualität bei Telefonaten. Kaum hatte ich den Kopfhörer eingerichtet, ging der erste Anruf ein. Die Sprachqualität ist in beide Richtungen einwandfrei, man muss sich allerdings mit der eigenen Lautstärke im Griff haben, da man durch die Over-Ear-Muscheln seine eigene Stimme kaum hört.

Fazit:

Ich dachte nicht, dass ich das einmal schreibe, aber meine beyerdynamic Aventho Wireless gehen in den vorzeitigen Ruhestand. Der Valco ANC hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Die nächste Reise wird mit dem Headset der zurecht selbstbewussten Finnen stattfinden.

Für nur 149,- Euro erwirbt man hier einen besonderen Kopfhörer, der sich hinter den etablierten Herstellern in keiner Weise verstecken muss. Im Gegenteil: Zukünftige Kopfhörer müssen dem Vergleich mit dem Valco standhalten. Wenn die Finnen neben dem Selbstbewusstsein nun auch noch den Mut haben, den Kopfhörer international bekannt zu machen, dann sollte der Valco kein lokal beschränktes Headset mehr bleiben.



Link zum Hersteller: Valco