Hardwaretest: AfterShokz OpenMove – ein Test, der auf die Knochen geht

Ich bin SciFi- und Actionfilm-Fan. Alles, was sich um fortschrittliche Technik und sonstige Zukunft dreht, wird regelrecht verschlungen. Zahlreiche großartige Filme kann ich mitsprechen, weil ich die schon so häufig geschaut habe. Und in so vielen Filmen und Serien wurde immer wieder Technik präsentiert, die zum Zeitpunkt des Drehs zwar vielleicht vorstellbar, aber eben noch nicht wirklich realistisch war. Gene Roddenberry als Schöpfer von Star Trek war ein Pionier in solchen Dingen, der Universal-Übersetzer ist heute in jedem Handy zu finden.

Aber auch viele andere Dinge in Filmen und Spielen waren Zukunftsmusik. Dazu gehörten für mich auch immer Headsets, die Schall über die Knochen übertragen. Beim Schreiben dieser Zeilen fühle ich mich aber jetzt gerade um Jahre in die Zukunft teleportiert, denn auf meinen Ohren – oder besser daneben – sitzt das neue AfterShokz OpenMove, ein Kopfhörer mit einem extrem sperrigem Namen, der mir soeben meine momentane Lieblings-Metal-Playlist in den Kopf schießt. Dass das funktioniert, hatte ich nicht bezweifelt, skeptisch war ich jedoch vor den ersten Tönen, was die Klangqualität angeht. Ich hatte vor Jahren bereits ein solches Modell in den Händen und dessen Klang war eine ausgemachte Katastrophe.

Nun sitze ich hier und grinse. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Und damit stellt mich der AfterShokz bereits nach wenigen Minuten vor eine schriftstellerische Herausforderung, denn üblicherweise weiß man, was einen erwartet, wenn man ein Gerät in die Redaktion geschickt bekommt. Ein TV stellt Bilder dar, ein AV-Receiver wird zur ultimativen Schaltzentrale im Heimkino und Kopfhörer lassen dessen Träger aus der Umwelt ungestört in seine Musik abtauchen. Aber eben nicht der AfterShokz OpenMove. Mit diesem Knochenschall-Headset eröffnen sich mit einem Male ein paar völlig neue Möglichkeiten.

Das alles überragende Merkmal bei allen Arten von Kopfhörern ist tatsächlich, dass man vollkommen ungestört ist. Sei es der edle, ohrumschließende High-End HiFi-Kopfhörer, der mich mit jeder Nuance ganz tief in meine Musik führt oder es sind die großartigen In-Ears, die ich tagsüber gerne nutze, um meine Ruhe zu haben und mit denen ich auch das Haus verlasse, um unterwegs Musik zu hören. Beide Arten von Headsets haben jedoch gemein, dass sie die Umwelt zumindest akustisch um den Träger herum fast vollständig ausblenden, unabhängig vom vielleicht vorhandenen Active Noise Cancelling zahlreicher Modelle. Nun habe ich also das erste Paar Kopfhörer um die Ohren, die genau das nicht tun. Statt mich in meine persönliche Blase voller Klang zu entführen, kann ich nun entspannt Musik hören ohne dass ich Angst haben muss, den unangekündigten Paketboten mit neuen Testgeräten zu verpassen, weil ich die Klingel nicht höre. Meine Ohren liegen frei und ich nehme damit weiterhin wahr, was um mich herum geschieht.

Aber von vorn. Ausgeliefert wird der AfterShokz OpenMove hier in einem Blister-Pack und schon beim Blick durch das Plastik ist man von der geringen Größe des Headsets überrascht. Aber spätestens, wenn man sich bewusst macht, dass das OpenMove um das Genick getragen wird, passt die Relation wieder. Neben dem Headset befinden sich in der Packung eine mehrsprachige Anleitung, die sämtliche Funktionen der nur zwei am Kopfhörer angebrachten Buttons erklärt, ein USB-C Ladekabel und ein Transportbeutel. Und noch eine Überraschung liegt bei: Will man sich tatsächlich in sich zurückziehen, legt AfterShokz noch ein Paar Ohrstöpsel im Stile von Ohropax bei.

Die Verbindung mit dem Smartphone oder Tablet per Bluetooth steht innerhalb von Sekunden, etwas ungewohnt hingegen ist die erste Anprobe. Da hier nichts in die Ohren gesteckt wird, testet man erst einmal den Sitz des kleinen Headsets. Es ist anfangs eben ungewöhnlich, ein Headset zu nutzen, welches vor den Ohren am Schädel aufliegt. Spielen dann aber die ersten Töne, hält man das zumindest anfangs für pure Magie. Dabei ist das Prinzip recht simpel und logisch. Anstatt Schall über das Medium Luft durch den Gehörgang an das Trommelfell zu übertragen, welches dann die vielen Knöchelchen im Ohr in Bewegung versetzt und damit alle Geräusche hörbar macht, setzt Knochenschall mit Vibrationen die Schädelknochen direkt in Bewegung. Trommelfell und Knöchelchen werden einfach übergangen, stattdessen wird der auftretende Schall ohne Umwege über die hinteren Wangenknochen durch die Hörschnecke verarbeitet. Das damit verbundene Hörgefühl ist anfangs ein vollkommen anderes, weil bisher eben ungewohnt. Mit den AfterShokz OpenMove scheint der Sound trotz Stereo-Klang direkt im Kopf zu entstehen. Hier ist aber auf den korrekten Sitz zu achten, man sollte also ein wenig mit der Position experimentieren, um einen möglichst guten Klang zu erhalten.

Das AfterShokz OpenMove ist als Einstiegsmodell für den Hobby-Sportler konzipiert. Nun genieße ich beim Mountainbiken lieber die Stille der Natur fernab des üblichen Verkehrs, als dass ich Musik höre. Bin ich auf der Straße unterwegs, war mir bisher die Konzentration auf meine Umgebung ebenfalls wichtiger. Aber für die stupide Trainingseinheit, bei der es nicht um den Genuss geht, sondern nur darum, stumpf Kilometer für die persönliche Fitness abzuspulen, ist das Headset tatsächlich motivierend. Denn einerseits kann ich Musik hören, andererseits habe den nicht wenigen Verkehr um mich herum unter Kontrolle – und das nicht nur optisch, sondern jetzt auch akustisch. Aber wie bereits erwähnt kann man das OpenMove auch bei der täglichen Büroarbeit tragen, ohne dass man seine Umgebung ausblendet. Das kleine Headset ist tatsächlich ein ziemlich cooler Allrounder, der auch optisch anfangs Aufmerksamkeit erregt.

Aber für mich war ein weiteres Thema schon vor dem Test spannend. Mein Bruder hat ein defektes Trommelfell, Musik zu hören war für ihn bisher im wahrsten Sinne des Wortes eine einseitige Angelegenheit. Die Frage, die sich mir von Anfang an stellte war daher, wie jemand mit Hörproblemen Klang über ein Knochenschall-Headset aufnimmt? Schließlich wird hier das Trommelfell umgangen und der Schall über die Schädelknochen übertragen. Mit ein wenig Skepsis trat er also hier an, um sich als Versuchskaninchen missbrauchen zu lassen. Diese Zweifel waren jedoch schon nach den ersten Tönen vollkommen verflogen, denn tatsächlich konnte mein kleiner Bruder den Klang vollkommen einwandfrei wahrnehmen, wie das für ihn über klassische Kopfhörer nicht möglich ist. Nun ist das mit Sicherheit kein repräsentatives Beispiel, aber vielleicht sind Knochenschall-Headsets tatsächlich für viele Menschen die Lösung bei Problemen mit den Ohren?

Bei allen offensichtlichen Vorteilen eines Knochenschall-Kopfhörers muss man sich als Käufer eines solchen Geräts aber trotzdem über ein paar wesentliche Aspekte im Klaren sein. Bei allem großartigen Sound ersetzt ein solches Headset nicht den klassischen Kopfhörer für audiophile Musikfans. Dafür ist der Klang dann doch etwas oberflächlich. Auch wenn Mitten und Höhen wirklich gut klingen, schwächeln Knochenschall-Kopfhörer dann beim Bass. Wer also gerne basslastig unterwegs ist, wird den allgemeinen Klang eines solchen Headsets als zu flach empfinden. Aber als Ersatz für den bewährten HiFi-Kopfhörer ist das AfterShokz OpenMove auch nicht konzipiert. Wer die Open Move mit seinem Smartphone verbunden hat, wird bei der profanen Büroarbeit die tatsächlich überragende Sprachqualität des Headsets genießen. Selten waren Telefonate über einen Kopfhörer so deutlich und rauschfrei.

Technisch sind die Kopfhörer aber mit den bisher bekannten Modellen auf Augenhöhe. Der OpenMove lässt sich dabei per Bluetooth 5.0 sogar mit zwei Geräten gleichzeitig koppeln und verfügt obendrein auch noch über einen kleinen Equalizer, der entweder Musik oder Hörbücher darstellen kann. Zusätzlich gibt es mit dem Earplug-Mode auch einen Modus für besonders laute Umgebung, bei dem dann die mitgelieferten Ohrstöpsel zum Einsatz kommen, um Umgebungslärm außen vor zu lassen. Die Akku-Laufzeit ist mit maximal 6 Stunden angegeben, diese wurden hier während des Tests auch locker erreicht. Wer den OpenMove auch draußen zum Sport trägt, freut sich über eine IP55 Zertifizierung, die den Kopfhörer als resistent gegenüber Schweiß und Feuchtigkeit ausweist. Lieferbar ist der OpenMove in vier Farben.

Fazit:

Ich bin bei neuen technischen Spielereien sehr leicht zu begeistern, habe ich den Sinn dessen erst einmal für mich von allen Seiten betrachtet. Und die mir bis dato unbekannten AfterShokz OpenMove machen in so vielen Dingen Sinn. Ich trage die seit dem Auspacken fast ununterbrochen und genieße Musik direkt im Kopf, die sonst im Hintergrund über einen der zahlreichen Multiroom-Lautsprecher wäre gespielt worden. Aber mit den kleinen Knochenschall-Kopfhörern bekomme ich eben auch beim Hören meine Umgebung mit. Vorbei die Zeiten, in denen jemand völlig überraschend vor meinem Schreibtisch stand und mich erschreckte.

Mit einem Gewicht von nur 30 Gramm habe ich die OpenMove nun seit einigen Tagen nicht nur beim Arbeiten an den Ohren. Das Headset ist als Allrounder für Hobbysportler ausgewiesen und als solches nutze ich das auch, wenn ich zum Training auf dem Bike sitze. Und egal ob am Schreibtisch oder auf dem Bike sind die OpenMove auch für Brillenträger uneingeschränkt nutzbar. Abstriche muss man hingegen beim Klang machen, wenn man bisher mit hochwertigen In-Ears unterwegs war. Dennoch klingen die OpenMove überraschend gut, auch wenn man die Tiefen ein wenig vermisst. Für nur knapp 90,-€ bekommt der Käufer hier einen echten Allrounder.


Link zum Hersteller: AfterShokz OpenMove