GTA V - eine multimediale Luftblase

GTA V - eine multimediale Luftblase

Ich bin erwachsen. Manchmal bedauere ich das. Ich bedauere dann den Verlust meiner kindlichen Naivität. Auch die Neugier auf das, was noch kommt, hält sich inzwischen im beschränkten Rahmen. Ich habe viel gesehen und viel erlebt, im Positiven wie im Negativen. Das echte Leben war mal Wundertüte, mal Büchse der Pandora. Aber es war immer spannend.

gta_v_logoÄhnliche Spannung habe ich auch vom meist gehypten Spiel aller Zeiten erwartet. Was haben sich nicht alle mit Vorschusslorbeeren überschlagen. Dem Hype im Vorfeld folgte dann auch der größte Erfolg in der Geschichte der Videospiele. Die Rede ist von über 15.000.000 verkauften Spielen, davon allein 1.000.000 Einheiten in Deutschland. In den ersten drei Tagen nach Verkaufsstart wurde bereits eine Milliarde US-Dollar Umsatz erzielt. Angeblich hält GTA V nun sieben Weltrekorde in Sachen Videospiel. Und die Werbemaschinerie rollt weiter. Man kann sich dem Titel selbst auf dem S-Bahnhof nicht entziehen.

gta_v_friedrichstraße

Nun dreht sich GTA V auch in meiner Xbox und Ernüchterung macht sich breit. Mit fortschreitender Spieldauer ärgere ich mich, dass ich mich habe anstecken lassen von einseitigen Vorab-Beiträgen, quietschbunten Bildern und hehren Versprechungen. Wieder einmal. Ich habe kein GTA bisher bis zum Ende gespielt. Immer verließ mich zwischendurch die Lust, auch die nächste Mission noch zu erledigen. Warum habe ich also gehofft oder mir eingeredet, dass es ausgerechnet im fünften Teil sollte anders sein?

Dabei darf ich diesmal sogar drei verschiedene Charaktere spielen. Das hat je nach Umfeld des einzelnen einen gewissen Reiz, der jedoch schneller als erhofft verfliegt. Ich darf noch immer ungestraft Autos klauen und damit Fußgänger überfahren. Und wieder einmal hat nichts davon wirklich Konsequenzen. Und wenn ich nicht gerade Verbrechen begehe oder mich anderweitig daneben benehme, gehe ich zum Frisör, kleide mich neu ein, schaue ich mir eine virtuelle Strip-Show an oder lade mir eine Nutte ins Auto. Skandal? Mitnichten.

Die Strip-Show hätte mich als 14jähriger bestimmt aus dem Sessel gerissen, genau wie der Blow-Job auf dem Fahrersitz. Heute suche ich verzweifelt die Taste zum Abbrechen der Sequenz, daran ändern auch verschiedene Kamera-Winkel nichts. Erotik und Sex sind im Spiel noch immer plump und langweilig. Selbst mitternächtliche Kabel1-ruf-mich-an-Clips sind aufregender. Und wenn es nicht um Sex geht, nerven geist- und witzlose Dialoge aus der untersten Gangsta-Kiddie-Schublade. Dafür brauche ich kein Spiel. Es reicht, wenn ich mich dazu in Berlin nach Schulschluss an eine Döner-Bude stelle.

GTA V hätte Potential gehabt, etwas anderes zu sein, als das, was es schon vorher war. Aber es ist wieder nur ein GTA geworden. Nur größer. Das Spiel ist linear, es geht den sicheren Weg und nimmt den Spieler an die Hand, statt sein Potential auszuschöpfen und mir freie Hand zu lassen. Die Mission nervt? Kein Problem. Überspringen und weiterspielen, es ändert nichts an der Story. Wenn man nicht vollkommen mit dem Kopf an den Pfosten geknallt ist, entdeckt man aber gelegentlich den einen oder anderen Wortwitz. Ich habe tatsächlich einmal laut gelacht, als ich einen Frisör namens „Herr Kutz“ aufsuchte. Für die, die das nicht verstehen: Herr Kutz, englisch ausgesprochen Haircuts, also Haarschnitt. Aber diese Momente sind zu selten im Spiel.

Geht mir das Handy im realen Weg schon so manches Mal auf den Geist, beginnt es mich in GTA V regelrecht zu stressen. Andauernd eine SMS, Mail oder Anrufe, nebenbei Social Media. Dazu muss ich nicht spielen, das RL bietet genau das Gleiche. Spannung baut sich zu selten auf, ein Großteil des Spiels verbringe ich ohnehin mit dem ziellosen Herumrennen auf der riesigen Karte und Überlegungen, mit wem es nun wie weitergeht? GTA V ist nicht das versprochene Spektakel. Es ist das schon tausend Mal programmierte Open-World-Einerlei. Rockstar hätte die Chance gehabt, etwas Großartiges zu erschaffen, herausgekommen ist ein Spiel, wie es etliche andere zuvor bereits auch waren. Daran ändern weder Verkaufszahlen noch Weltrekorde etwas.


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3 Comments

  1. Danke! Danke für diesen Beitrag. Ich hatte schon gedacht, nur mir geht es so. Man hat mich schon gemieden, weil ich GTA V nicht mag. Aber ich stehe zum Glück mit meiner Meinung nicht allein.
    Was nützt mir die schönste Open-World, wenn mich die Missionen wieder in das lineare Korsett zwängen? Und wofür überhaupt Open-World? Ja, Monster-Stunts sind witzig, aber in GTA? Ansonsten zum Frisör rennen, sich Tattoos verpassen lassen oder Klamotten kaufen? Das kann ich im echten Leben auch, dafür brauche ich kein Spiel.
    Ich bin also nicht der einzige, dem GTA V nicht gefällt! Ich bin doch noch normal 🙂

  2. Jetzt muss ich aber auch mal eine Fahne für GTA hochhalten. Du weißt, dass ich auch gern kritisch bei Spielen bin, und das hier soll kein „Du unterstehst Dich GTA nur 99 von 100 Punkten zu geben! SAKRILEG!“ Post sein. Disclaimer: Klar ist vieles Geschmackssache. Mich kannst Du mit Echtzeitstrategie a la StarCraft oder Planungsspielen wie Civilisation jagen. Beides hochgelobte Spiele, aber interessieren mich nicht die Bohne. Aber vielleicht hast Du GTA V auch nur falsch angefasst, oder es ist wirklich nicht Dein Fall. Nur dann darfst Du es nicht auf Deine simple linearitätsformel runterputzen.

    Ein paar Kritikpunkte kann ich verstehen. Wenn Du mit „Konsequenzlosem Überfahren von Passanten“ meinst, dass GTA nicht wie ein Fallout eine Faktion dauerhaft gegen Dich aufhetzt, ja. Du kannst also in ein Gangsterviertel fahren, Gangmitglieder aufmischen und umfahren, es wird geballert und ruft die Polizei auf den Plan. Nach einem Tag kannst Du aber wieder ins selbe Viertel fahren, und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen.

    In meinen Augen ist das gut so, denn eine andauernde Faktionsfeindseligkeit würde einem das Leben im Spiel nur unnötig nervig und schwer machen. Wenn Du dauerhafte Konsequenzen haben willst: Überfalle eine Tankstelle in GTA Online. Der Verkäufer „merkt“ sich Dein Gesicht, und ist vorbereitet, wenn er Dich erkennt. Um dem entgegenzuwirken kannst/sollst Du Dir aus dem Maskenladen eben Gesichtsmasken kaufen.

    Dass die Missionen linear sind, kann man früheren GTAs vorhalten. Hier bei GTA V wird doch gerade bei den Heists (also den großen Überfällen wie Juwelenladen, FIB Gebäude, etc.) einem eine Alternative von zwei Herangehensweisen gelassen.

    Und selbst dann ist man noch relativ frei in den größeren Arealen, wie man sich dort Aufstellt und seinen Angriffsvektor oder seine Flucht plant.

    Ja, das Spiel bedient Klischees. Aber zumindest ich habe mich ordentlich unterhalten gefühlt. Die Dialoge bei Michaels Psychiatersitzungen, Trevors leeres Drohgehabe, das ständige Nigga-Gangsta-Hood-Gerede zwischen Franklin und Lamarr – alles hat mich desöfteren zum Schmunzeln gebracht. Aber vielleicht liegt’s auch nur daran, wie mein alter Grundschullehrer gesagt hat „Du kannst Dich auch über ein krummes Stück Holz kaputtlachen!“

    Wenn man wirklich nur von einem Job zum nächsten hechtet, verpasst man in meinen Augen viel von der Stadtdynamik, die Rockstar in das Spiel gepackt hat. Gerade, die künstliche Intelligenz der „unwichtigen“ Passanten hat mich an einer Stelle angenehm überrascht. Man hätte einfach nur die Leute dumm von A nach B laufen lassen können, und vielleicht auch dafür sorgen können, dass sie nicht in Wänden hängen bleiben.

    Aber ich hab mal an einem Abend in Vinewood Hills einen Spaziergang gemacht, und ein KI-Auto wurde von einem Polizeiauto verfolgt. Das KI Auto geriet in einer Kurve ins Schleudern und fuhr sich in einer Garageneinfahrt fest. Währenddessen stiegen die Polizisten aus, und eröffneten das Feuer. Wildes Geballere auf beiden Seiten, und irgendwie hat’s keiner überlebt. Mittlerweile haben sich andere Autos in der engen Straße gestaut, und ein Krankenwagen schlängelte sich durch die Automassen. Mich als Informatiker hat’s einfach interessiert, ob der Krankenwagen nur sein Ziel findet, und ich wurde mehr als angenehm überrascht. Es passierte nämlich folgendes:

    Der Rettungswagen hielt dicht am Tatort, und ein Sanitäter stieg aus. Ging zu ein paar Leichen, hat sich hingekniet und dann sowas gesagt wie „Ich glaub‘ ich muss mich übergeben“ (so weit so geskriptet). Aber dann hat eine Fahrerin in der Autoschlange die Geduld verloren und tritt aufs Gas (die KI wollte halt endlich bei „B“ ankommen). Dabei hat sie den Sanitäter überfahren und sich in den Autowracks der Polizei und Verbrecher verkeilt.

    Der Sanitäterkollege, der noch im Rettungswagen saß, hat mitbekommen, dass sein Kollege überfahren worden ist, springt aus dem Rettungswagen, läuft zu dem Auto der ungeduldigen KI, reißt die Frau aus dem Auto und fängt an, sie zu verprügeln.

    Und *das* ist ein Gruppenverhalten von KIs, die mich als Informatiker mit runtergefallener Kinnlade vorm Fernseher zurücklassen.

    Rockstar liefert in meinen Augen hier großes Kino ab.

    Klar, man kann die meisten Jobs immer auf das Minimum reduzieren: Klaue X, töte Y, und fliehe vor Z. Genauso ist es aber auch unfair Filme zu generalisieren: Held rettet die Welt, alles wie immer.

    In GTA V gibt es aber neben der Standard-Flucht in einem Auto vor der Polizei auch die halsbrecherische Flucht mit Crossmotorrädern durch die Kanalisation und unfertige U-Bahn-Schächte. Oder die richtig gut gemachte Flucht nach dem Banküberfall.

    Und wenn sich die Gelegenheit ergibt, zwingt mich GTA auch nicht unbedingt im Auto zu flüchten (vorausgesetzt, die Story schreibt es nicht vor). Ich kann jederzeit in einem Hubschrauber die Flucht fortsetzen, und fließend aus der Fußgängerperspektive detaillierten Stadt mit winzigen Rissen im Asphalt in die höchsten Höhen fliegen, ohne dass das dem Spiel Probleme bereitet. Technisch eine Meisterleistung, und was die Hauptsache ist, mir macht es enormen Spaß!

    Und dann der Multiplayeraspekt. Klar kann man hier wieder nölen: Alles Schema F: X klauen, Y Töten, vor Z fliehen. Aber GTA bietet Dir auch einen Sandkasten. Du wolltest schon immer mal ein Destruction Derby auf der Hubschrauberplattform eines Hochhauses veranstalten? GTA V. Mit Deinen Freunden auf Mountainbikes von einem Berg rasen, über die Klippe springen, und dann mit Fallschirmen zu Boden segeln, ohne dass der heimische Versicherungsvertreter Haarausfall bekommt, oder der Arbeitgeber vor dem nächsten Krankenschein bangen muss? GTA V. Autorennen fahren, und auf Deine Freunde Wetten abschließen? GTA V.

    Wo wir gerade von Autorennen sprechen: GTA V hat einen brutal witzigen Rallye Modus. Du und ein Mitspieler werdet quasi in einen eigenen Spielchat gepackt. Einer ist Beifahrer, der andere Fahrer. Der Twist an der Sache: Nur der Beifahrer sieht die nächsten Wegpunkte auf der Karte, und in welche Richtung der Wegweiser zeigt. Also muss der Beifahrer dem Fahrer erklären, wie er zu fahren hat. Wie Walter Röhrl sagen würde: „A Gaudi“.

    Mein Tipp: Gib GTA etwas mehr Zeit als nur die erste Mission gemäß Deiner Spielerkarte (falls Du nicht mit einer anderen Spielerkarte weiter gespielt hast). Ich lad‘ Dich auch gerne mal zu einem Multiplayerabend Freitags mit meinen Kollegen ein. 🙂

  3. Wow, da hat mir aber jemand den Kopf gewaschen 😉

    Das Problem ist, dass mich GTA nicht „mitnimmt“. Ich weiß nicht, was ich wirklich erwartet habe, aber das ist es nicht. Wie gesagt, es gibt witzige Passagen im Spiel, aber das große Ganze packt mich nicht. Na gut, ich fand auch Assassins Creed doof, aber da geht es mir wahrscheinlich wie dir bei Simulationen.

    Du betrachtest das Spiel aus der Sicht des Programmierers, wie hat Rockstar Problem X gelöst, wie verhält sich die KI bei Problem Y. Für mich ist maßgeblich, ob ich mich zwischendurch darauf freue, die Konsole anzuwerfen und zu zocken, ohne über Problemlösungen in der Programmierung nachzudenken. Also ein ganz unschuldiger Spaß, ein Videospiel. Aber genau das passiert nicht, ich spiele momentan lieber Rayman Legends.

    Klar, das Spiel hat seine Momente, aber auch die schaffen es nicht, mich dauerhaft oder erneut vor die Konsole zu zerren, damit ich erfahre, wie es weitergeht. Ich habe mich schon genervt gefühlt, weil ich es bei der Verfolgungsjagd mit der Yacht auf dem Anhänger erst im 14. Versuch geschafft habe, den Bösewicht aus dem fahrenden Auto zu erschießen. Nun könnte man natürlich nörgeln, was kann das Spiel für meine mangelhaften Fähigkeiten?

    Egal, zumindest kann man über GTA V philosophieren wie über kaum ein anderes Spiel. Und letztendlich ist das ja auch nur meine Meinung, die im krassen Gegensatz zum Mainstream steht.

    Ach ja, habe tatsächlich mal nicht (nur) auf meiner üblichen Gamercard gespielt, aber das hat andere Gründe.

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