Gran Turismo Sport

Gran Turismo war eines der Spiele, die die Videospielwelt revolutionierten. Autos ohne Ende und großartige Strecken, die der Fantasie der Designer entsprungen waren und noch bis heute zum Besten gehören, was jemals mit virtuellen Reifen erfahrbar war. Wer als Rennspielfan jemals Deep Forrest, Trial Mountain oder Grand Valley gefahren ist, wird diese Euphorie verstehen – noch immer.

Und heute? Offenbar kommt kein Spiel mehr ohne den Nürburgring und dessen Nordschleife aus. Ja, der Kurs ist extrem anspruchsvoll, man muss ständig hochkonzentriert sein, um die möglichst perfekte Runde zu fahren. Aber verdammt, es ist inzwischen langweilig! Und dieses Attribut ist eines derjenigen, die auf Gran Turismo Sport zutreffen.

Neben langweilig kommen mir unausgegoren, unfertig und uninspiriert in den Sinn. Das soll es also nun sein? Warum hatte ich bereits nach wenigen Stunden Spielzeit das Gefühl, dass das Spiel nicht fertig ist, dass es durch den permanenten Online-Modus und die kastrierte Solo-Karriere nur darum geht, Online-Mitgliedschaften zu verkaufen? Waren es in Teil 6 noch die Micro-Transaktionen, bei denen man sich Autos mit echtem Geld dazukaufen musste, so setzt dieses Spiel für die volle Entfaltung seines Potentials eine Playstation+ Mitgliedschaft voraus.


Das A und O eines jeden Gran Turismo war, ist und wird zumindest für mich immer das Lizenzsystem mit den Prüfungen bleiben. Die Fahrschule war das, was einem jeden Einstieg in einen neuen Teil der Serie voranstand – zumindest bis zu Teil 4. Denn ab da begann Polyphony Digital das Spiel einsteigerfreundlich zu gestalten und kippte das System. In Teil 5 war es Nebensache, in Teil 6 wieder halbherzig implementiert und in Teil 7? Hier sind die Prüfungen nun einfach der komplette Solo-Modus.

Kurzum, es gibt keine Karriere und keine Kampagne! Der Singleplayer-Modus besteht aus dem Erledigen der Prüfungen. Kein Freischalten neuer Rennserien, die man dann fahren kann. Wer die Prüfungen gefahren ist, darf online spielen, fertig.

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Wer keine Playstation+ Mitgliedschaft hat, widmet sich den Einzelrennen, aber hier stellt sich das nächste Problem dar. Denn der Streckenumfang ist ein Witz. Ganze 17 Kurse, die dann wie üblich vorwärts und rückwärts gefahren werden dürfen, davon sogar ein paar Rally-Kurse und natürlich – der Nürburgring. Kein Trial Mountain, kein Apricot Hill, stattdessen Blue Moon Speedway oder Dragon Trail. Mit allen Modifikationen kommt das Spiel auf 40 Layouts. Ja zugegeben, diese sind technisch sehr sauber, aber es sind keine Gran Turismo Kurse.
Zum Vergleich: Forza Motorsport 7 enthält 32 Strecken, Project Cars 2 sogar deren 60!

Ebenfalls abgespeckt wurde die Anzahl der Fahrzeuge. Statt nun den 39 Versionen eines Mazda MX5 hinterherzuhecheln, findet man noch ganze 162 Fahrzeuge vor. Was auf dem ersten Blick wie ein Rückschritt klingt, ist auf den zweiten ein Fortschritt. Denn jedes Fahrzeug wurde sowohl außen als auch innen dem Original entsprechend gestaltet. Keine schwarzen Standard-Cockpits mehr, sondern ein jedes Innenleben wurde dem Original nachempfunden. Dazu wurde das Fahrgefühl und der Motorensound für jeden Boliden einzigartig programmiert. Es macht physikalisch wie akustisch  einen Unterschied, ob ich einen Ford Focus ST oder einen Ferrari 458 Italia GT3 fahre.

Fahrzeuge lassen sich nun wieder ohne Microtransaktionen kaufen, aber es fehlt einfach der Reiz, weil man keine Autos in der eigenen Kampagne mehr benötigt. Früher musste man ein Rennen in den USA mit alten amerikanischen Muscle Cars fahren. Also spielte man entweder so lange, bis man das dafür berechtigte Auto irgendwo gewann oder bis die virtuelle Kohle für einen Kauf ausreichte. Der Sammelreiz ist ohne den Solo-Modus so gut wie nicht mehr vorhanden. Die jetzt für bestandene Prüfungen als Geschenk erhaltenen Autos nimmt man somit nur noch zur Kenntnis, die Vorfreude auf das richtige Auto gibt es nicht mehr.

Bei der Grafik bin ich ebenfalls etwas im Zwiespalt. Klar, die Fahrzeuge glänzen fast so schön wie im echten Leben, die Strecken und deren Umgebung sind ein absoluter Traum, Kantenflimmern und Pop-Ups wie noch im Vorgänger sucht man vergebens und dennoch – wo sind die wechselnden Tageszeiten oder Wetterbedingungen? Man kann Rennen zwar zu verschiedenen Tageszeiten starten, aber das war es auch schon. Ein Rennen am frühen Morgen gestartet, bleibt über die gesamte Laufzeit ein Rennen am frühen Morgen. Und auch das Schadensmodell ist wieder nicht vorhanden. Ein Crash mit 260 km/h in die Bande sorgt für ein Plopp, danach geht es unbeschadet auf die Piste zurück.

Und das wäre gleichzeitig der nächste große Kritikpunkt – die KI der Gegner und das immer wiederkehrende Gummiband. Auch in Teil 7 fahren vom Computer gesteuerte Fahrzeuge noch immer auf ihrer Ideallinie wie auf Schienen. Und selbst wenn man im Kiesbett landet und zahlreiche Plätze verliert, so holt man selbst auf höchster Spielstufe alle Konkurrenten innerhalb von maximal 2 Runden wieder ein. Ein Rennen selbst als Profi nicht zu gewinnen liegt einzig an einem zu offensiven Fahrstil mit zahlreichen Ausflügen neben die Strecke.

Aber schön, dass dem neuen Fotomodus Scapes und dem Design von Autos, Rennanzügen und Helmen so viel Zeit gewidmet wurde. Statt also seine Zeit mit Gran Turismo Sport spielerisch auf der Rennstrecke zu verbringen, hat man bei Polyphony Digital herausgefunden, dass die Spieler lieber Zeit in das Design von Autos stecken und viel lieber Fotos schießen, als Rennen zu fahren? Deshalb gibt es keine Kampgane mehr, aber Hauptsache ich kann meinen Benz vor dem Colosseum mit zahlreichen Filtern und Blenden fotografieren.

Es bleibt also der Online-Modus mit einem von der FIA genehmigten Fairplay-System. Hier sollen Fahrer mit identischen Fairplay-Leveln zusammengeführt werden und so mehr Spaß miteinander haben. Klingt in der Theorie klasse, wenn man als Rennsportfan nicht mit den Pisten-Säuen in einem Topf landet, aber es ist eben der mit einer Mitgliedschaft zu bezahlende Online-Modus. Da spielt es auch keine Rolle, dass „der Sportmodus die Zukunft der Onlinerennen ist“.

Nicht jeder Spieler kann oder will sich die nächste kostenpflichtige Mitgliedschaft leisten, wenn man schon für Xbox Live, iTunes, Sky, Netflix, DAZN, Amazon Music, Spotify und wie die zahlreichenden weiteren Dienste auch alle heißen mögen, bezahlt.

 

Fazit:

Gran Turismo Sport ist eine Luftblase für Solisten. Die nicht vorhandene Einzelspieler-Kampagne macht Gran Turismo zu einem No-Go – wie es schon Teil 6 auf seine Art und Weise war. Da nützen auch keine Streicheleinheiten der FIA, kein Design-Wettbewerb an Autos und Helmen und keine noch so schönen Landschaftsbilder, wenn das Spiel sein ursprüngliches Ziel selbst nicht mehr erfüllt – nämlich das beste Rennspiel aller Zeiten zu sein.

Der Online-Modus bietet zwar einiges, aber dann soll man eben auch so ehrlich sein und von Anfang an sagen, dass das Spiel für Solo-Spieler ungeeignet ist. Stattdessen hofft man offenbar darauf, dass sich nun die Playstation+ Mitgliedschaften von allein verkaufen, um dem Spiel doch noch etwas abgewinnen zu können.

Es wäre jetzt zu einfach zu sagen, das war mein letztes Gran Turismo, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Aber nach dem schon elendig schlechten Teil 6 ist das nun der zweite Fehlgriff hintereinander.

Deshalb mein Vorschlag an Sony und Polyphony Digital:
Veröffentlicht ein Remake der Teile 1 – 5 und begrabt dann die Serie.
So bleibt Gran Turismo wenigstens in guter und würdevoller Erinnerung.

Copyright Fotos: Sony Playstation