gamescom 2011 – jeder blamiert sich so gut er kann

Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Und gerade auf der gamescom 2011 gab es dieses Jahr lange Schatten. Angetreten, um wieder einmal einen neuen Besucherrekord aufzustellen, scheint die Messeleitung das Wesentliche zu ignorieren:

Den Spieler und damit den zahlenden Besucher. Angefangen bei wie immer zu wenig Verkaufsständen zu bekannt horrenden Messepreisen für Lebensmittel, über unqualifiziertes und unfreundliches Messepersonal bis hin zur Notschließung wegen Überfüllung am Samstag stolpert und stümpert Köln von einer Peinlichkeit in die nächste.
Wir waren von Mittwoch bis Freitag auf der Messe, hier unser Bericht.

Mittwoch, 17.08.2011 – Fach(?)besuchertag

2.30 Uhr – Weckerklingeln und der Planet stürzt ein. Nachdem ich knapp 3 Stunden geschlafen habe, mache ich mich im Laufe der Nacht auf nach Köln, um pünktlich zum Messestart vor Ort zu sein. Der erste Termin ist für 11.30 Uhr mit Namco Bandai Partners zu Ace Combat: Assault Horizon verabredet. Kaffee und Red Bull wirken bei nächtlichen Autofahrten Wunder. Nach dem Eichecken im Dorint Hotel gegenüber der Messe kann es also endlich losgehen. Und kaum angekommen, gibt es den ersten Ärger mit der Messe Köln. Nachdem schon keine Eintrittskarten mehr verschickt werden, sondern PDF-Datein zum Ausdrucken, aus denen man sich im Stile eines Bravo-Starschnitts sein Ticket ausschneiden darf, gibt es nun auch keine Schlüsselbänder für die Fachbesucher. Wer die Messe kennt, weiß dass diese lilafarbenen Bänder den Ausstellern, Spielentwicklern, der Presse und den Fachbesuchern vorbehalten sind. Aber leider gibt es keine Halsbänder. Das wäre an sich kein Problem, wenn man sein Ticket bzw. Band nicht alle Nase lang irgendeinem Messemitarbeiter vorzeigen müsste, um sich trotz Fachbesuchertag als Fachbesucher zu legitimieren. Am nächsten Tag wird auch klar, warum Fachbesucher und andere VIPs keine Bänder bekommen: Die Messe verkauft diese lieber an den messeeigenen Ständen an das zahlungswillige Volk.

Im Gegenzug zu diesem Ärger sind aber die Hallen in diesem Jahr tatsächlich am Mittwoch den Fachbesuchern vorbehalten, auch wenn einige wenige doch ihren Nachwuchs dabei haben. So lässt sich aber an jedem Stand fast ohne Wartezeit so gut wie jedes Spiel anspielen, für welches wir keinen Termin beim Publisher vereinbart haben. Besonders auffällig in diesem Jahr ist der Sega Stand, denn dort feiert man Sonics 20sten Geburtstag. Neben dem aktuellen Titel Sonic Generations hat Sega auch eine kleine Ausstellung zu längst vergangenen Sonic Artikeln am Start. Überraschungstitel ist hier aber ein Arcade-Titel names Joe Danger. Eine Mischung aus Quick-Time-Event und witziger Action per Jetpack, Motorrad oder Lore fesselt uns gefühlte Stunden an die Bildschirme.

Das nächste Highlight ist unser Besuch bei Activision. Hier sind zwei Kinosäle eingerichtet, in denen man die kommenden Titel in einem eigens produzierten gamescom-Film präsentiert bekommt. Auch wenn Modern Warfare 3 auf den ersten Blick bekannt hohe Qualität bietet, so ist der Film zum Spiel mehr als nur ein Anreißer. Grafik vom Feinsten wird aber vom unglaublichen Sound noch fast übertroffen. Sensationeller 5.1 Klang im Kinosaal lassen auch der Toptitel verwöhnten Fachpresse vor Staunen den Mund aufstehen.

Den ersten Abend schließt die inzwischen obligatorische XBOX-Community Party ab. Neben Freibier organisiert MS diesmal ein Gewinnspiel. Anwesende erhalten ein Armbändchen, welches sie als geladene Gäste ausweist. Nun sind alle diese Bändchen grün, allerdings gibt es auch einige wenige andersfarbige. Wie sich dann herausstellt, sind diese Bändchen gleichzusetzen mit einem Gewinnlos. Es werden einige XBOX-Artikel verlost, von denen unser Lars tatsächlich ein neues Joypad gewinnt. Der Hauptpreis jedoch ist dem Träger des lila Bandes vorbehalten. Dieser erhält nämlich nach deren Erscheinen eine limitierte Gears of War 3 XBOX! Und nein, Gears of War 3 selbst wurde am Stand nicht präsentiert, das wurde am nächsten Tag im Filmhaus Köln nachgeholt.

Donnerstag, 18.08.2011 – Der erste Tag des Ansturms

Um 8.40 Uhr streben wir dem 2. Messetag entgegen. Am Eingang stehen bereits hunderte Besucher Schlange, um als einer der Ersten spielen zu können. Glücklicherweise haben wir das bereits am Vortag erledigen können, der Donnerstag und Freitag bestehen ausschließlich aus vereinbarten Terminen hinter verschlossenen Türen bei den Publishern. So beginnt der Tag bei Ubisoft, um dort Assassins Creed, Ghost Recon, Farcry und Rayman anzuspielen. Es stellt sich überraschend heraus, das gerade der neue Rayman das Zeug zu meinem persönlichen Must-Have hat. Eigentlich ein New Super Mario Bros. Wii Klon, macht der Titel einen Heidenspaß. Vier Spieler gleichzeitig an einem Bildschirm machen aus einem witzigen, aber bockschweren Old School Jump`n`Run mehr als nur einen Geheimtip für Fans.

Vor der Messe konnte ich leider bei Sega keinen Termin mehr zu Sonic Generations bekommen, alle Slots waren bereits ausgebucht. Umso größer die Überraschung, als wir ganz kurzfristig doch noch einen Termin bekommen. Dort sitzen wir dem Entwickler Takashi Iisuka höchstselbst gegenüber und ich philosophiere mit ihm über meine Sega- und Sonic Sammlung. Das Spiel selbst ist ein Mix aus 2D und 3D und bietet alten und neuen Sonic-Fans genau das, was sie erwarten: Blitzschnelle blaue Igel-Action! Nach dieser Präsentation werden wir mit der limitierten “20 Jahre Sonic” Tasche versorgt und erhalten für Freitag zwei weitere Termine zu Mario & Sonic in London 2012 und Aliens – Colonial Marines.

Nach unserem freundschaftlichen Gespräch bei Microsoft erwartet uns das Highlight der Messe: Bei Nintendo treffen wir die Stimme von Mario & Friends, Charles Martinet! Nach seinem Interview nimmt sich Charles tatsächlich Zeit für mich, beantwortet einige Fragen und erfüllt mit Spaß alle Foto- und Autogramm-Wünsche. Selbstverständlich können wir dann auch hier alles anspielen, was die nächsten Monate von Nintendo veröffentlicht wird. Im Blickpunkt stand hier der 3DS, für den Mario Kart, Super Mario 3DS und Luigis Mansion 2 erscheinen. Von der Wii U ist wie vor der Messe angekündigt leider nichts zu sehen.

Nach der Messe ist vor der Messe: Es ist Gears of War 3 Zeit, das erste GoW, welches in Deutschland eine USK-Einstufung erhalten hat. Dementsprechend groß ist die Vorfreude und der Andrang auf Facebook. Mehr als 400 Fans haben sich angekündigt. Leider hat die avisierte Location nur Platz für 80 Menschen, so dass Lucy von Microsoft innerhalb weniger Tage komplett umdisponiert und das Filmhaus Köln als Örtlichkeit gewinnen kann. Nachdem die neue Örtlichkeit auf Facebook veröffentlicht wird, fühlen sich 350 geladene Menschen vollkommen überfordert, zwei Stationen mit der Bahn zu fahren (O-Ton: “Das ist so weit, da komme ich dann doch nicht”), so dass sich im Kino dann genau soviele Leute tummeln, für die der zuerst geplante Veranstaltungsort dann auch ausgereicht hätte. Was soll man nun denen schreiben, die wegen persönlicher Überforderung nicht da sind, außer dass sie eine grandiose Präsentation der Entwickler versäumen und die Chance verpassen, Horde selbst zu spielen?

Freitag, 19.08.2011 –  Die Messe Köln und das überqualifizierte Personal

Der Tag beginnt am Eingang mit einem Paukenschlag. Schon an der Garderobe zeigt sich bei genau drei anstehenden Besuchern, dass es einer organisatorischen und intellektuellen Höchstleistung bedarf, eine Jacke und eine Tasche an einen Kleiderhaken zu hängen. Und mit zwischenmenschlichen Höchstleistungen geht es weiter: Ich begebe mich um 8.57 Uhr durch den Fachbesuchereingang-West, das heißt, ich versuche das. Ein anabolikagestählter Sicherheitsangestellter Marke “kognitiv zu früh rechts abgebogen” und rudimentär der deutschen Sprache mächtig schnauzt mich an, dass Fachbesucher erst ab 9.00 Uhr Zugang zur Messe haben und wenn mir das nicht passt, soll ich mir einen anderen Eingang suchen. Ich schaue auf sein Shirt und suche verzweifelt seinen Namen. Kommentar des nun tobenden und vor Wut spuckenden Hilfspolizisten 4. Grades: “Alter, hier steht kein Name und wenn du dich nicht gleich wegmachst, hast du ein Riesenproblem mit mir”. Nun könnte ich diese Szene hier weiter ausführen, aber ich erspare mir eine weitere Schilderung derselben. Wenn ich bedenke, dass diese Sicherheitsjobs in Leipzig von engagierten und hilfsbereiten Rentnern erledigt wurden und es niemals irgendwelche Probleme am Eingang gab, verstehe ich den Sicherheitswahn der Messe Köln nicht, wenn am Eingang ohnehin keine Taschen oder Personen kontrolliert werden. Wahrscheinlich ist dem Masterchief of Security am Eingang deswegen furchtbar langweilig? Am Besuchereingang-Ost bin ich übrigens Tags zuvor bereits um 8.40 Uhr problemlos auf das Messegelände gekommen. Absprache scheint hier alles?

Dafür laufen alle geplanten Termine dann wie am Schnürchen. Erneut bei Namco lassen wir eine Präsentation zu Dark Souls über uns ergehen. Ergehen deshalb, weil man das Gefühl nicht los wird, dass das Entwicklerteam nach 2 Tagen der immer gleichen Präsentation im 30-Minuten Takt bereits satt ist. Umso entspannender dann der Besuch bei Electronic Arts. Wie immer mit dem größten Stand im Business Center ausgestattet, kann man neben der Präsentation der aktuellen Titel hier zur Ruhe kommen und durchatmen. Stress kommt bei EA nicht auf. Dafür pumpt das Adrenalin beim gamescom Award Gewinner Battlefield 3 umso mehr. Nach einer kurzen Einführung geht es sofort in den Koop-Modus und Lars und ich bringen die Playstation zum Absturz. Die Frage, wer denn nun der Platzhirsch ist, Battlefield 3 oder Modern Warfare 3, spaltet die Anwesenden in zwei Lager. Beide Titel werden ohnehin Selbstläufer. Das gleiche gilt für Mass Effect 3.

Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Dieses Lichtlein ist ein ausgewachsenes Buschfeuer und heißt Aliens – Colonial Marines. Von Senior Producer Matt Powers mit den Worten begrüßt “Guten Morgen! I practice my german … and what does it mean: Moin, Moin?” geht es in eine witzige und leidenschaftliche Präsentation des Überraschungstitels der Messe. In enger Zusammenarbeit mit 20th Century Fox und Ridley Scott ist hier ein Shooter- und Effektfeuerwerk der Extraklasse am Start, das laut Aussage von Segas Fabian Döhla auch nach Deutschland kommt!

Ein weiterer netter Termin erwartet uns bei rondomedia und astragon, bei dem wir nicht nur das aktuelle Portfolio vorgestellt bekommen, sondern auch mit aktuellen Testmustern ausgestattet werden. Heiß begehrt in der Redaktion ist Harveys neue Augen, der Nachfolger zum Erfolg Edna bricht aus. Unseren Abschluss der gamescom 2011 bildet der Besuch bei Warner Bros. Games und das neue Lego Harry Potter – Die Jahre 5 – 7, welches bekanntermaßen den Abschluss der Serie bildet. Wer die Jahre 1 -4 kennt, weiß auch ohne Präsentation, was ihn bei diesem Titel erwartet, nämlich Klötzchen-Kloppen in seiner niedlichsten Form.

Nachtrag vom Samstag, 20.08.2011

Jeder blamiert sich, so gut er kann und die Messe Köln schafft das auch in diesem Jahr wieder par excellence. So wird vor der diesjährigen gamescom großspurig angekündigt, den Besucherrekord erneut knacken zu wollen und nachdem das geschafft ist, werden wegen Überfüllung keine Tageskarten mehr ausgegeben!!! Hier der offizielle Twitter-Eintrag der Messe:

gamescom (@gamescomcologne)
20.08.11 12:57 Für alle Wartenden: Aufgrund d. Besucherzahlen mussten wir einen Einlassstopp einleiten. Am Eingang Süd gibt’s für euch Getränke uvm! #gc11

Ist doch nett, das für alle auch von weit her Angereisten am Eingang Süd Getränke uvm! zur Verfügung stehen. Besser als nichts, oder? Spiegel online schreibt, dass die Messe “Opfer des eigenen Erfolgs” sei, ich denke, dass die Opferrolle nur dem zusteht, der unschuldig in eine solche Situation gerät. Die Messe Köln ist sehenden Auges und mit offenen Armen in das Chaos gerannt. Sei es Profitgier, eine ausgeprägte Profilneurose oder wieder einmal schlechte Organisation, Fakt ist, dass die Messeleitung, mit ein wenig realistischer Einschätzung der Situation des letzten Jahres, der erhöhte Besucheransturm in diesem Jahr nicht hätte überraschen dürfen. Dies war bereits am Donnerstag abzusehen, als schon nach wenigen Minuten an den Ständen zu Call of Duty oder anderen Titeln Wartezeiten mit bis zu drei Stunden aufliefen.

Scheinbar ist die Messe Köln mit der Ausrichtung der gamescom hoffnungslos überfordert? Vielleicht sollten sich die Spitzen der Videospielindustrie noch einmal zusammen setzen und den Standort Köln überdenken! Auch Berlin ist internationaler Dreh- und Angelpunkt für Messen aller Art und wäre somit auch für die internationalen Medienvertreter leicht erreichbar. Das Messegelände der Hauptstadt bietet außerdem mit riesigen Außenarealen allen Besuchern und Ausstellern mehr Freiraum und Bewegungsfreiheit. Bestes Beispiel für perfekte Organisation ist die Internationale Funkausstellung IFA.

Bericht: Michael Schulz

PS: In Halle 6 verkaufte die Firma Game Legends am Mittwoch lizensierte Ubisoft und Nintendo Produkte. Am Donnerstag war dieser Verkauf durch die Messeleitung gestoppt worden. Der Verkauf darf laut Messeleitung angeblich nur in der Halle 10 stattfinden, eine Konventionalstrafe soll folgen. Genau 10 Meter links neben dem geschlossenen Game-Legends Stand verkauft die Messe Köln gamescom T-Shirts und Schlüsselbänder. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.