„Sammelst du eigentlich noch Videospiele?“

So oder so ähnlich beginnen manchmal Gespräche. Gegenfragen: Ist Wasser noch immer nass, ist Holland nach der Vorrunde der EM 2012 mit Null Punkten abgereist (worden) und hat Stefan Raab noch immer 64 Schneidezähne alleine im Oberkiefer? Ich habe zwar inzwischen ein massives Platzproblem, aber selbstverständlich sammle ich noch Spiele und Konsolen.

Daran wird sich nichts ändern, bis ich entweder Lara Croft und Mario am Monitor nicht mehr unterscheiden kann oder mir das Pad aus den greisen, zittrigen Fingern fällt.

Im Anschluss an die Frage, ob ich noch sammle, entwickelt sich dann meistens ein kurzes Gespräch, in dem ich einen Fund aus der Kellerauflösung von Opa Klawuttke oder vom Dachboden, der „seit Jahren mal wieder entrümpelt werden musste“, in den Fingern halte und schlimmer noch, bewerten soll. Meistens handelt es sich dabei um  Spiele und Konsolen ab Generation Playstation One, die zu diesem Zeitpunkt schon millionenfach am Markt vorbei produziert wurden oder um die traurigen Überreste einer durchzockten Kindheit, geprägt von zu viel Emotion und mangelnder Sorgfalt. Dies zeigt sich dann meistens an den CDs mehr als deutlich. Kratzspuren, wohin man schaut. Ich frage mich, ob die Scheibe als Untersetzer für das Barbie-Kaffeekränzchen der kleinen Schwester gedient hat oder ob die besten Stellen des Spiels mit einem X markiert wurden? Solche Scheiben werden mit dem Schredder von ihren Leiden erlöst.

Ähnlich sieht es mit der Umverpackung aus. Was ist eigentlich so schwer daran, eine Pappschachtel eines VCS/NES/SNES-Spiels so zu öffnen, dass sie nicht bis in die Mitte des Covers einreißt? Wie kommen der Kaffee, die Cola oder Körperflüssigkeiten hinter das Klarsicht-Cover des Master System oder Mega Drive Spiels?  Und warum sind die Plastikhüllen der PS1 Spiele grundsätzlich zerbrochen? Meistens sehen die dazugehörigen Konsolen nicht viel besser aus. Das letzte Master System, das mir in die Hand gedrückt wurde, muss als Teigroller zur Herstellung von Weihnachtsplätzchen gedient haben. Anders kann ich mir die Schokoladensplitter und Kekskrümel in sämtlichen Ritzen und Schlitzen nicht erklären. Und abschließend der Klassiker: „Ach, das Spiel hat eine Anleitung? Hatte ich nie in den Fingern …“

Wären solche hingerichteten oder mit Liebesentzug gestraften Spiele und Konsolen zur sofortigen Entsorgung freigegeben, würde ich nicht lange fackeln und die Sachen augenblicklich im Papierkorb versenken. Aber es gibt tatsächlich Menschen, die nicht wissen, wie man sich bei ebay anmeldet oder wie man seinen Müll alleine vor die Tür bringt und die nun auf mein Erspartes hoffen. Die Frage, was denn „diese Raritäten“ noch wert sind, lässt mich dann entweder in schallendes Gelächter ausbrechen oder eben dieses mit aller Macht unterdrücken. Warum muss eigentlich jeder, der eine alte Konsole im Keller findet, nun automatisch in die erlauchten Kreise der Reichen und Schönen aufsteigen wollen, in der irrigen Annahme, mit dem Verkauf von „retro“ Spielen Millionär zu werden?

Aber es gibt sie noch, die Ausnahme von der Regel und ich finde das eine Stück Geschichte, das eine Spiel, die eine Konsole. Sei es, weil das Spiel tatsächlich etwas wert ist (ganz selten), weil das Spiel besser erhalten ist, als das meiner Sammlung (selten), weil ich das Spiel noch nicht habe (häufig) oder weil ich das Spiel hatte, es dämlicherweise irgendwann verkauft/verliehen/verschenkt habe und das nun unbedingt wieder haben möchte (auch ziemlich häufig). Je nach Ausgangslage bin ich dann auch bereit, den entsprechenden Preis zu zahlen.

Und dann gibt es tatsächlich Menschen, die drücken mir etwas in die Hand, ohne zu wissen, was sie da wirklich abgeben. So erlebt im letzten Jahr als ich eine riesige Tüte überreicht bekomme, Inhalt ein nagelneues, unbespieltes, noch in Folie verpacktes und mit Kabelbindern gesichertes NES im unbeschädigten Originalkarton inklusive der Spiele Super Mario Bros. und Zelda … selbstverständlich beide ebenfalls nagelneu und ohne einen einzigen Fingerabdruck. Glänzende Augen auf meiner Seite und die Befürchtung, dass man einen Preis fernab jeglicher Vernunft aufruft. Aber dann die Überraschung: „Schenk ich dir, würde ich sonst entsorgen.“ Wie … entsorgen??? So etwas entsorgt man doch nicht! Anscheinend schon, wenn man weder Spieler ist, noch einen emotionalen Bezug zu Mario und Link hat. Lange Rede, kurzer Sinn, ich kann demjenigen bis heute nicht mehr als mein ehrliches Danke hinterherschicken, denn der hat tatsächlich jedwede Bezahlung für das NES abgelehnt … und ich habe die Konsole seit diesem Tag auch nie wieder aus dem Karton geholt.

Das erklärt hoffentlich dem einen oder anderen, der mich per Mail fragt, wie ich zu welchem Preis an dieses oder jenes Spiel gekommen bin, wie man seine Sammlung neben Flohmärkten, ebay und Second-Hand Läden auch kontinuierlich ausbauen kann: Wenn genug nette Menschen wissen, dass man sammelt und man selbst anderen gegenüber vernünftig auftritt, dann fällt einem die eine oder andere Rarität ab und zu einfach in den Schoß 😉