RTL, ein gamescom-Bericht und viel heiße Luft

Ein bundesweiter Aufschrei ging letzte Woche durch die Gamer-Fangemeinde, als RTL einen Bericht zur gamescom ausstrahlte, in dem Gamer mehr oder weniger beleidigt wurden. Besucher der gamescom seien im Gamer-Einheits-Outfit, also labberige T-Shirts und zu weite Hosen unterwegs und zu allem Überfluss würden sie auch noch streng riechen. So etwas kann der Spieler natürlich nicht auf sich sitzen lassen und eine Welle der Empörung schlug auf den Sender nieder.

Dieser war offensichtlich vom Gegenwind überrascht, da sich die Spieler das erste Mal als Gemeinschaft zeigten und nicht nur heiße Luft in den diversen Foren abließen, um ihrem Unmut Gehör zu verschaffen. Es hagelte Beschwerden und der Sender sah sich letzten Endes dazu veranlasst … nein, nicht zu einer ehrlich gemeinten Entschuldigung, sondern zu einer offensichtlich notwendigen Kapitulation aufgrund des gewachsenen Medieninteresses, dass man sich von dieser Form der Berichterstattung distanziere. Schuld sei ja eigentlich nicht der ausstrahlende Sender, sondern der Redakteur Tim Kickbusch, der den doch lustig gemeinten Bericht produziert hätte. Wir alle haben gelacht und mir stellt sich die Frage, ob derartige Berichte eigentlich bei RTL ungeprüft durchgewunken werden und ob jeder Redakteur tatsächlich freie Hand in seiner medialen Berichterstattung hat?

Dieser besagte Herr Kickbusch stellte sich dann zunächst ebenfalls nicht sonderlich geschickt an, als er über sein Facebook-Profil nach weiteren eingegangenen Beschwerden verlauten ließ:  „Die Reaktionen der Daddler bestärken mich in der Vermutung, dass zu viel Computerspielen keinen förderlichen Effekt auf das Sprachverständnis hat“. Zumindest erfolgte dann hier ein verbaler Rückzieher, dass der Bericht ja schon allein aufgrund der albernen Hintergrundmusik nicht ernst zu nehmen gewesen sei, man sich aber hiermit in aller Form entschuldige. Der schwarze Peter ging also einzig an das berichterstattende Team, nachdem RTL verlauten ließ, dass ja alles gar nicht so böse gemeint gewesen sei.

Soviel zum Hintergrund. Für mich persönlich nimmt diese Angelegenheit aber inzwischen groteske Züge an. Ich bin einerseits fasziniert, dass es mehr als zehn Videospieler gleichzeitig geschafft haben, gegen einen Sender vorzugehen, der sich seit Jahren durch schlecht recherchierte Beiträge und Polemik auszeichnet. Angeblich mehr als eintausend eingereichte Beschwerden sprechen eine deutliche Sprache. Unangenehm überrascht bin ich allerdings, dass sich so viele Menschen eine Sendung ansehen, von der sie eigentlich wissen müssen, dass am Ende nichts als vergeudete Lebenszeit herum kommt.

Widerum nicht verwunderlich ist, dass “der Sturm auf RTL” wieder einmal den wahren Gamer gezeigt hat, nämlich den von RTL beschriebenen. Da kündigen sich mehr als siebenhundert zu Recht erboste Spieler an, um eine über facebook organisierte Protestaktion vor der Sendezentrale des Senders zu inszenieren und es erscheinen knapp fünfzig Figuren. War am Ende alles doch nicht so schlimm? Sollte RTL Recht behalten mit der Beschreibung des dummen, beziehungsgestörten und übel riechenden Spielers?

Liegt RTL am Ende mit dem Bericht vielleicht doch richtig?

Fakt ist, das allererste Mal haben die Spieler in der Öffentlichkeit etwas bewegt. Sie haben einen Privatsender zu einer öffentlichen Gegendarstellung genötigt und sie haben die zuständige Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) auf den Plan gerufen. Diese entschied allerdings, wie sollte es auch anders zu erwarten sein, dass der besagte Bericht nicht gegen die Bestimmungen des Medienstaatsvertrages verstoßen hat. Was besagt diese Prüfung?

„Der Beitrag ist durch seine unverblümte Tendenz sicher ärgerlich, aber keinesfalls rechtswidrig. In einer freiheitlichen Medienordnung können und müssen derartige Berichte toleriert werden. Ich hoffe sehr, dass die Gamer-Szene, die ja selbst für Freiheitsrechte eintritt, dies am Ende akzeptieren kann“  ist in der offiziellen Pressemeldung der NLM zu lesen. Dies heißt jedoch im Umkehrschluß, dass Privatsender wie RTL weiterhin ungestraft auf (Rand)gruppen verbal einprügeln dürfen, ohne rechtliche Konsequenzen erwarten zu müssen. Dabei ist hier offensichtlich der Tatbestand des §186 StGB erfüllt. Dieser besagt, dass derjenige bestraft wird, der “in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist.” Reichlich eingegangene Beschwerden belegen diese öffentliche Herabwürdigung und die Entschuldigung des Senders dürfte auch hier als ein Schuldeingeständnis angesehen werden können. Ebenso wie die verzweifelten Versuche, besagten Bericht von Youtube mit Hinweis auf das Urheberrecht zu verbannen.

Aber, und damit komme ich wieder zum gemeinen Spieler zurück und der Kreis schließt sich, es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. RTL wird weitere Berichte in der bisher getätigten Art veröffentlichen, ohne rechtliche Konsequenzen erwarten zu müssen. Die immer noch viel zu vielen Zuschauer des Senders werden weiterhin das ihnen Vorgekaute für deutsche Realität halten und schlucken, was ihnen Redakteure wie Herr Kickbusch servieren, sofern sie nicht selbst betroffen sind. In einer Woche redet kein Mensch mehr über diesen Beitrag und spätestens zur nächsten gamescom ist Gras über die Sache gewachsen. Es ändert sich also im Endeffekt nichts! Das Langzeitgedächtnis des Einzelnen ist in dieser schnelllebigen Medienwelt ohnehin aufgrund des medialen Informationsüberflusses hoffnungslos überfordert.

Mal schauen, ob die groß angekündigten Boykotte gegen den Sender Auswirkungen haben, oder ob, der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier, allabendlich weiterhin beim Zappen auf RTL hängen geblieben wird? Ich kenne die Antwort.