Nintendo Pocket Football Club – wenig drin, alles dran

Ich erinnere mich nur ganz dunkel an meinen ersten Amiga Fußball Manager. Das Spiel bestand aus einem schmalen schwarzen Balken, auf dem ein Pixel hin und her flitzte. Kullerte der Pixel-Ball über die Grundlinie, tobte das Volk – man hatte ein Tor erzielt. Das komplette Spiel passte übrigens noch auf eine einzelne Diskette. Für die Kleinen: Das war eine Magnetscheibe mit der sagenhaften Speicherkapazität von 1,44 MB.

npfc_teaser_220x140Später wurden die Spiele immer aufwendiger und das Drumherum abseits des Spielfeldes nahm immer mehr Raum ein. Von kleinteiligen Vertragsverhandlungen über die Sponsorensuche, bis hin zum Salzgehalt der Pommes in den umliegenden Imbissbuden musste man sich um alles kümmern. Das Spiel an sich geriet immer mehr in den Hintergrund. Die letzte negative Erinnerung an Managerspiele habe ich mit einer Eigenschaft, die den Teamgeist betraf. Da musste man doch allen Ernstes darauf achten, dass ein Spieler dem anderen die Freundin nicht ausspannt, weil das dem Verhältnis der Spieler auf dem Spielfeld abträglich war. Nun besinnt sich Nintendo mit seinem Manager zum Glück wieder auf das Wesentliche, nämlich den Fußball.

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Ein letzter Ausflug in die Vergangenheit: Auf den ersten flüchtigen Blick erinnert der Nintendo Pocket Football Club – kurz NPFC – an den Anco Fußball Manager. Kleine Pixelfiguren kicken die Murmel und man leidet am Bildschirm, wenn der simpelste Pass nicht ankommt, der Stürmer wieder mal eine Großchance versiebt hat oder der Keeper unter der Flanke hinweghüpft. Man liebt und man hasst seine Spieler und genau das zeichnet ein Managerspiel aus. Beim Anco Manager schaute man von oben auf die Pixel, hier hat man eine hübsche Haupttribünen-Ansicht.

Wie bei jedem Fußball-Manager liegt vor dem Siegeszug an die Weltspitze harte Arbeit. Nach dem Start gebt ihr eurem Verein einen Namen, erstellt aus ein paar Vorlagen eine Flagge und legt die Trikotfarben fest. Alles lässt sich aber jederzeit wieder ändern. Ihr bekommt eine bunt zusammengewürfelte Truppe an die Hand und sollt aus diesem Haufen ambitionierter Betonkicker eine funktionierende Mannschaft aufbauen.

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Begonnen wird immer im Startbildschirm. Hier geht es zuerst auf das Trainingsgelände, um sich einen Überblick über seine Schützlinge zu verschaffen. Tippt man mit dem Stylus auf eine Figur, bekommt man Daten zu Schießen, Schnelligkeit, Technik, Ausdauer, Zähigkeit, Sprungkraft und Willensstärke. Jeder Spieler verfügt zudem über sechs Fähigkeitsstufen, angefangen von E bis A. Die letzte und ultimative Stufe ist das S. Mit jedem Spiel erhaltet ihr Trainingskarten aus den Kategorien Taktisch, Technisch, Körperlich und Diverse.

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Die Kunst ist es nun, diese Karten durchdacht auf die Spieler zu verteilen, um deren Fähigkeiten zu steigern. So ist es zum Beispiel klug, seinen Abwehrspielern die Karte „Abwehrkette“ zuzuordnen, seinen Torhüter mit „Sprungkraft“ auszustatten und seine Stürmer auch mal ins „Dribbling“ zu schicken. All diese Karten steigern verschiedene Fähigkeiten. Jedem Spieler kann man bis zu drei verschiedene Karten pro Trainingseinheit zuordnen und je schwerer der bespielte Gegner ist, desto mehr Karten werden verteilt bzw. stehen zur Verfügung. Aber die Karten bieten einen zusätzlichen Anreiz. Kombiniert man nämlich bestimmte Karten miteinander, werden besondere Fähigkeiten freigeschaltet. So ergibt die Kombination aus „Sandsack“, „Dufttherapie“ und „Passen“ die Special-Kombo „Tödlicher Pass“ die dafür sorgt, dass die Pixel-Kicker mit einem Ball in die Tiefe jede 4er-Abwehrkette auseinander nehmen. Erhöht werden dabei sogar die Werte der Spieler für Schießen, Schnelligkeit, Technik, Zähigkeit und Willensstärke. Es lohnt sich also, hier mit den Trainingskarten zu experimentieren.

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Sind die Spieler trainiert, geht es an die Aufstellung. Das Spiel gibt mit 4-3-3 oder 3-5-2 zahlreiche klassische Formationen vor, aber man kann Spieler immer dahin verschieben, wo man meint, sie zu brauchen. Wenn nötig, schiebt man alle Mann vor das eigene Tor, spielt ein dümmliches 10-0-0 und hofft, dass man sich den einen, sehnlichst benötigten Punkt gegen den übermächtigen Spitzenreiter ermauert. Danach geht es endlich ab ins Stadion.

Besteht euer heimisches Grün anfangs noch aus einer besseren Kuhweide mit zahlreichen gelben Flecken, über die der Ball mehr hoppelt denn rollt, ändert sich das von Liga zu Liga. Auch das Design der Stadien und Tribünen selbst wird immer hübscher, je höher ihr steigt. Vom kreisrund gemähten Rasen bis zum diagonalen Schachbrettmuster mit umlaufender Tartanbahn ist später alles dabei. Und so startet ihr eure Karriere in der vierten Liga und bemüht euch, eine halbwegs schlagkräftige Truppe aus euren mit E und D Werten bestückten Freizeitkickern aufzubauen. Seid ihr dann endlich in der ersten Liga angekommen, heißt es erst einmal wie im echten Leben, den Abstieg zu vermeiden. Habt ihr das geschafft, geht es nur noch darum, das Triple aus Meisterschaft, nationalen und internationalen Pokal zu gewinnen.

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Irgendwann werdet ihr feststellen, dass einige eurer Spieler dem höheren Niveau nicht mehr gewachsen sind. Sie stagnieren auf den Werten C oder vielleicht sogar schon B, aber ihr Potential reicht nicht mehr aus, etwas Neues dazuzulernen. Teilweise verlieren sie auch ihre Werte wieder, wenn sie nicht mit den gewonnen Karten trainiert werden. Es ist also an der Zeit, sich nach neuen, hungrigen Spielern umzuschauen. Im Büro forscht ihr nach verfügbaren und vor allen Dingen bezahlbaren Spielern, denn je nach Liga habt ihr nur ein beschränktes Budget zur Verfügung. Beim Durchforsten der wechselwilligen oder freien Spieler werdet ihr aber schon bald über einen (beabsichtigten?) Missstand stolpern. Das Potential des entsprechenden Spielers wird nämlich nicht angezeigt. Was nützen also tolle Werte, wenn sich der Typ nicht weiterentwickeln kann? Sorgt also immer dafür, dass ihr nur Spieler mit voller Potential-Leiste verpflichtet. Habt ihr euch wirklich mal vergriffen, genügen zwei Klicks, um den Spieler wieder zu entlassen. Am Ende einer Saison müsst ihr auch keine Angst haben, dass der mühsam trainierte und hochgepushte Spieler mit Höchstwerten euch wieder verlässt. Eure Spieler bleiben bis zur Entlassung oder aber ausbleibender Vertragsverlängerung immer in eurem Kader.

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Wer in der Liga alles gewonnen hat, wendet sich dann Online-Partien gegen Freunde oder die Teams zahlreicher NPFC Spieler zu und versucht, die Rangliste zu erklimmen. Bis dahin genießt ihr es in der ersten Liga, wenn eure Jungs Freistöße und sogar Ecken direkt verwandeln, wenn in der Schlussminute euer Torhüter mit nach vorn kommt und per Kopf ausgleicht, der Fernschuss aus über 40 Metern einschlägt oder die Kombination über zahlreiche Stationen mit gekonnten Doppelpässen zum Erfolg führt. Ihr werdet staunen, zu was die Pixelmännchen alles in der Lage sind!

Negativ sind einzig der piepsende und stellenweise nervige Midi-Sound und nicht vorhandene Statistiken über mehr als die letzte Saison hinweg.

Fazit:

Nintendo hat den Pocket Football Club auf das Nötigste beschränkt: Den Fußball! Ihr formt eine anfangs unterirdische Truppe und führt diese von ganz unten nach ganz oben. Mehr braucht es nicht, um tage- oder sogar wochenlang an einem 15,-Euro Titel hängen zu bleiben. Ihr freut euch über Siege, verzweifelt an Niederlagen, feilt an Aufstellungen und trainiert eure Spieler solange, bis da nur noch A oder S Werte stehen.

Dann lehnt ihr euch zurück und genießt die Show. Ihr freut euch über das billige Talent, bei dem endlich der Knoten geplatzt ist und schmeißt den vermeintlichen Superstar wieder raus, der zwar viel kostet, aber dennoch aus fünf Metern das Tor nicht trifft. Klar, es sind nur kleine bunte Pixelmännchen, die da über den virtuellen Rasen rennen, aber die entwickeln ein Eigenleben. Spätestens wenn ihr vor dem 3DS sitzt und ruft „Spiel endlich den verdammten Ball quer!“ wisst ihr, dass euch das Spiel gepackt hat.

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