Hardwaretest: TomTom Bandit – der Outlaw unter den Action-Cams?

Qualitativ hochwertige Filme in HD kann heute jedes Handy aufzeichnen, das Web ist inzwischen voll mit Millionen von Filmen. Und dennoch gibt es immer wieder die Gelegenheiten, in denen das Handy eben nicht das passende Gerät für einen Clip ist. Dann nämlich, wenn man beide Hände braucht und die Action am Siedepunkt ist.

Nachdem der Pionier GoPro vor Jahren die erste echte Action-Cam auf den Markt brachte, zogen so viele andere mit eigenen Produkten hinterher. Aber nur die wenigsten schafften es, etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen, das den Namen Action-Cam auch verdient. Man scheiterte zu häufig an schlechten Objektiven, an geringer Akku-Laufzeit oder schlechter Bedienbarkeit.

Das größte Problem stellte jedoch immer die Verwacklungsautomatik dar. Was nützt mir der schönste Downhill im Monte Baldo Massiv oder der Ponale am Gardasee, wenn die Kamera nachher nicht ein scharfes Bild liefern kann? Es gibt kaum eine zweite Chance, für eine gelungene Action-Aufnahme.

Aber davon ließ sich der Navi-Spezialist TomTom offenbar nicht abschrecken und präsentiert mit der Bandit eine eigene Kamera, die nicht nur gestochen scharfe und wackelfreie 4K-Bilder liefern soll, sondern auch einfach zu bedienen ist und obendrein das mühselige Zusammenschneiden von mehreren Stunden Filmmaterial ersparen soll. Wie von Zauberhand soll die Bandit anhand von Bewegungssensoren selbstständig erkennen, ob nun Action oder Langeweile ansteht. Und aus diesen gesammelten Action-Szenen stellt eine App dann selbstständig einen Clip her.

Wir haben hier das Premium Pack in den Fingern. Das Set beinhaltet eine durchdachte und auf den ersten Blick stabile Halterung für das Bike. Zwei Flügelmuttern befestigen die Halterung absolut sicher an jeder Art von Rohr, sei es der Lenker, das Oberrohr oder die Sattelstütze. Ein frei einstellbares Kugelgelenk sorgt zusätzlich dafür, die Kamera in alle Richtungen zu justieren. Hilfreich dabei ist ein zusätzliches Raster in der Kamerahalterung selbst, das die Kamera um 180 Grad drehbar macht. Selbstverständlich ist die Halterung gummiert, um Kratzer auf dem Lack zu vermeiden.

Weiterhin enthält das Paket ein Ladekabel, eine Fernbedienung mit Bändern für das Handgelenk oder einen Finger, jeweils zwei verschiedene Standard-Klebepads, eine Unterwasser-Linsenabdeckung für bis zu 40 Meter Tiefe bzw. Spritzschutz, einen Mikrofon-Windschutz, ein Adapter für eventuell vorhandene GoPro Halterungen und eine 360 Grad Halterung zur Befestigungen an den Klebepads oder am Rucksack. Damit kann die Cam beim Laufen oder Wandern bequem auf der Schulter getragen werden. Die kleine Anleitung ist in englischer Sprache gehalten, die deutsche gibt es online als PDF. Einen Adapter für 1/4 Zoll- Standard Stative sucht man jedoch leider vergebens.

Die Kamera beinhaltet einen Clou. Denn statt eines fest verbauten Akkus gibt es einen herausnehmbaren Battery-Stick. Dieser lässt sich entweder per USB am PC oder an jedem USB-Ladegerät aufladen oder man öffnet eine Abdeckung und lädt den mit dem mitgelieferten Ladekabel. Seitlich am Stick befindet sich die Aufnahme für die Mikro-SD-Karte, sowie vier LEDs, die den Ladestand anzeigen. Wird der Stick per USB mit dem PC verbunden, kann man sich im Ordner DCIM alle aufgenommenen Clips anschauen.

Die Cam verfügt über ein wohltuend minimalistisches und sehr gut lesbares LCD-Display, welches nur die nötigsten Anzeigen bietet. Das spart reichlich Strom. Allerdings suggeriert der Werbetext, dass man sein Handy jederzeit über die Mobile App der Bandit steuern kann. Leider lehnt man sich hier ein wenig zu weit aus dem Fenster. Hat man WLAN zur Verfügung, ist die Verbindung von Handy und Cam ein Kinderspiel, aber ohne WLAN läuft auch die Handy-App nicht. Eine Verbindung über Bluetooth gibt es nicht. So kann man die Cam zwar auch vom Handy aus bedienen, aber eben nur, wenn sich beide Geräte im gleichen Netz befinden. So dient die App also eher dazu, Clips ohne den Umweg über den PC zu schneiden und ins Netz zu laden.

Etwas ungünstig gelöst ist das An- und Abschalten oder die Aufnahmen mit der Cam. Angeschaltet und die Aufnahme gestartet wird mit einem Knopf, die Aufnahme beendet oder abgeschaltet mit einem anderen. Anfangs eher verwirrend, gewöhnt man sich spätestens nach dem dritten Fehlversuch daran. Dennoch ist die Bedienung für eine Action-Cam wohltuend simpel. Niemand hat beim Biken, auf dem Surfbrett oder sonstigen spannenden Situationen die Zeit, erst mal mühselig eine Cam einzurichten – Knopf drücken und los geht`s.

Die Bandit bietet zahlreiche Aufnahme-Modi. Neben dem klassischen Foto-Modus kommen zahlreiche verschiedene Formate für Videoaufnahmen hinzu. Vom simplen WVGA, über 1080p bis hin zu 4K mit 15 fps sind diverse Modi möglich. Dazu kommen ein Zeitraffer- und ein Zeitlupenmodus. An Möglichkeiten steht also etliches zur Verfügung.

Der augenscheinliche Clou jedoch ist die Automatik, mit der die Kamera selbstständig entscheidet, welche Szene im automatisch zusammengestellten Clip verwendet wird. Hat man keine Zeit, eine eigene, manuelle Markierung für eine actionreiche Szene zu setzen, bekommt man automatische Hilfestellung. Anhand von Gyroskopen erkennt die Bandit eine Maximalgeschwindigkeit, sie erkennt Beschleunigung, Bremsung oder eine maximale vertikale Drehung. An all diesen Positionen wird eine automatische Markierung gesetzt, die nachher im Clip verwendet wird. Allerdings funktioniert diese Automatik nur mit eingeschaltetem GPS.

Hat man ausreichend Material aufgenommen, scheitern die meisten Menschen an der Fähigkeit oder mangelnder Fantasie, aus diesen Clips eine fesselnde Aufnahme zusammenzustellen. Videoprogramme sind zwar inzwischen bezahlbar, aber dermaßen umfangreich, dass sie doch eine zeitintensive Einarbeitung erfordern, bis man zu einem halbwegs vernünftigen Ergebnis kommt. Dies alles nimmt einem die Bandit ab. Entweder werden Filme direkt in der Handy-App bearbeitet und ins Netz geladen oder man verwendet die Beta-Version des TomTom eigenen Video-Studios. Die Anleitung verspricht in wenigen Minuten geniale Clips, die allein mit dem Schütteln des eigenen Handys zustande kommen sollen.

Ein Clip hat den entscheidenden Vorteil, dass nur die an der Action Beteiligten wissen, was sie wirklich erlebt haben und was die Automatik da so zusammengeschnipselt hat. Außenstehende sehen einen mehr oder weniger gelungenen kurzen Abriss dessen, ohne zu wissen, was da noch so an erlebter Action fehlen könnte. Von daher klingt die automatische Zusammenstellung von Videoaufnahmen zu einem actionreichen Clip doch sehr spannend.

Ja, ich bin konservativ und ein Handy ist ein Handy. Man benutzt das zum Telefonieren, zur Kommunikation über WhatsApp und Mails und gelegentlich für einige andere ausgesuchte, simple Anwendungen. Daher habe ich mich mit dem Schneiden von Clips auf dem Smartphone schwergetan. Die Übersichtlichkeit ist vorhanden, die wenigen Funktionen sind auf Anhieb zu erreichen. Und dennoch waren meine Ergebnisse für mich unbefriedigend. Hat man keine Markierung während der Aufnahme gesetzt, muss man nachträglich einige einfügen. Dann wird das Handy geschüttelt und schon hat man einen Clip!?

Meine und die Meinung der Automatik über ein gelungenes Video gehen hier weit auseinander. Und es ist mir in einer Stunde Trial & Error nicht gelungen, auf dem Handy eigene Musik zu hinterlegen. Deswegen habe ich also zusätzlich das TomTom Bandit Studio auf dem PC installiert. Optisch und in den Funktionen ähnelt das Studio der Handy-App. Aber hier kann ich Filme mit der Maus, statt mit ungeschickten Fingern auf einem Touch-Display erstellen.

Somit war die Cam am 01.05.17 bei gutem Bike-Wetter das erste Mal im Einsatz. Wechsel zwischen Sonnenschein und Bewölkung und Temperaturen um die 12 Grad waren ideal, um die Briese abzufahren. Hierbei handelt es sich um eine ca. 10 Kilometer lange Strecke in einem Landschaftsschutzgebiet mit engen Wegen und vielen Wurzeln ohne jegliche Steigungen. Eben immer entspannt am Wasser entlang.

Aber hier zeigten sich von Beginn an auch die gleich die Schwächen einer Actioncam ohne Display, welches das Bild darstellt. Die Ausrichtung am Lenker erfolgt nach Gefühl. Zusätzlich offenbarte die Halterung Fehler. Das Kugelgelenk zur Ausrichtung der Kamera benötigte immense Kraft, um es zu fixieren. Auf den ersten Metern war dieses scheinbar nicht fest genug und die Cam kippte in der Halterung um. Das viel größere Problem ist jedoch das Spiel zwischen Halterung und Kamera. Dieses beträgt zwar weniger als einen Millimeter und dennoch wackelte die Kamera in der Halterung über jede Baumwurzel, was sich auch im Video als Wackler darstellt.

Das Video wurde mit dem TomTom Bandit Studio am PC erstellt. Die Auflösung bei 1080p und die Farben sind einwandfrei, der Winkel des Objektives so dimensioniert, dass man auch ein gutes Panorama im Clip erhält. Es wurde mit Absicht keine eigene Musik hinterlegt, um die Fahrtgeräusche trotz des angebrachten Mikrofonschutzes darzustellen. Das hier dargestellte Ergebnis ist die Auswahl der Automatik aus ca. einer Stunde Filmmaterial, vier Aufnahmen und 27 der für das automatische Erstellen benötigten Markierungen.

Fazit:

Ich bin hin- und hergerissen. Die Kamera sieht toll aus, macht wirklich gute Bilder, die Bedienbarkeit ist simpel und das kleine LCD-Display ist jederzeit gut ablesbar. Aber all diese Funktionen hatte ich bei der Garmin Virb und Sony HDR auch schon. Es ist das Zubehör der Bandit, welches gegenüber den Mitbewerbern abfällt und aus einer guten Kamera eben nur eine über dem Durchschnitt liegende macht.

Die Lenkradhalterung überträgt zwar keine Abrollgeräusche von Reifen oder das Schleifen der Scheibenbremsen, aber das Kugelgelenk erfordert Kraft, damit die Kamera auch stabil hält. Noch viel schlimmer wiegt für mich als MTB-Fahrer das – wenn auch minimalistische – Spiel der Halterung, was jedes Überfahren einer Baumwurzel zu einem Wackler im Film werden lässt. Die Klebepads haben dieses Spiel nicht. Ich müsste also für einen Downhill die Kamera am Helm befestigen. Und warum gibt es keinen Adapter für 1/4 Zoll Standard Stative?

Die Handy-App und das Video Studio sind neckische Spielereien, die den kleinen Unterschied machen. Aber meine Ansprüche an einen Actionfilm sind andere. Also setze ich mich lieber nach einer Tour hin und schneide das Material im Corel VideoStudio oder mit dem CyberLink PowerDirector. Wer das nicht kann oder mag ist aber mit dem einfach zu bedienenden Studio auf der sicheren Seite.

 

Link zur Herstellerseite: TomTom Bandit

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